Keine neuen Terminals für den BER in Schönefeld
Volksbegehren will Ausbau des Flughafens über den Planfeststellungsbeschuß hinaus
frühzeitig stoppen
Über das laufende Volksbegehren gegen eine Kapazitätserweiterung
für den BER und eine mögliche dritte Startbahn sprach Marko
Ferst mit Stefanie Waldvogel aus dem Initiatorenkreis.
Das Volksbegehren will den BER auf 360.000 Flugbewegungen begrenzen,
doch wie lassen sich neue Terminals wirklich verhindern?
Das Volksbegehren zielt nicht in erster Linie auf die Kapazität
der Terminals, sondern auf die luftseitige Kapazität. Laut Planfeststellungsbeschluss
wird die Endauslastung des BER bei 360.000 Flugbewegungen im Jahr erreicht.
Das stellt aber keine rechtlich bindende Obergrenze dar. Die Verantwortlichen
glauben, dass am BER so viel geflogen werden darf, wie die beiden bestehenden
Bahnen hergeben. Wenn unser Volksbegehren bzw. ein Volksentscheid Erfolg
haben, müssen eine Begrenzung auf 360.000 Flugbewegungen und der
Verzicht auf eine dritte Bahn in die Landesplanung aufgenommen werden.
Damit wird der Bau neuer Terminals, vor allem der teuren „Satelliten“ unattraktiv.
Seit dem Jahr 2000 verdreifachten sich die Fluggastzahlen in Berlin,
Klimaschutzziele scheinen unbekannt?
Während vielerorts um Möglichkeiten gerungen wird, das Weltklima
zu retten, rollt man der Luftverkehrsbranche den roten Teppich aus und
fördert maximales Wachstum für das klimaschädlichste Verkehrsmittel.
Der BER wird der drittgrößte Flughafen Deutschlands sein und
hat erheblichen Anteil an dieser Fehlentwicklung. Natürlich geht
es uns auch um Lärmschutz, in der Flughafenregion wohnen zu viele
Menschen zu nah am BER. Ein Beispiel: Blankenfelde-Mahlow mit 26.000
Einwohnern wird nach der BER-Eröffnung Raunheim als den am stärksten
von Fluglärm betroffenen Ort Deutschlands ablösen. Für
die dicht besiedelte BER-Region sind schon 360.000 Flugbewegungen zu
viel.
Bis 2020 will man 40 % CO2 einsparen bis 2050 80 bis 95 % gegenüber
1990. Damit wäre der heutige Flugverkehr Geschichte …
Ja, so ist es. Zwischen 1990 und 2010 sind die Emissionen von Luftverkehr
und Schifffahrt um 80 Prozent gestiegen, und damit doppelt so schnell
wie im Rest der Weltwirtschaft. Der Ausstoß der Luftfahrt entspricht
heute in etwa dem von ganz Großbritannien. Trotzdem wird weiter
steuerfrei Kerosin getankt und internationale Flüge sind von der
Umsatzsteuer befreit. Damit nicht genug, wird die Flughafeninfrastruktur
massiv mit Steuergeldern kofinanziert, den Negativrekord hält dabei
der BER.
Zumindest vorläufig schließt die Politik eine dritte
Startbahn aus?
Die zahlreichen Bekenntnisse der Politik gegen den Bau einer dritten
Startbahn sind leider nichts wert. Wären sie ernst gemeint, hätte
der brandenburgische Landtag die erfolgreiche Volksinitiative gegen die
dritte Bahn im April einfach annehmen können. Tatsächlich war
diese als Erweiterungsmöglichkeit bereits vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens
in die Pläne eingezeichnet. An vielen Stellen sickert durch, dass
sie nach wie vor Bestandteil der Erweiterungsplanungen ist. Lehrreich
ist das Beispiel des Münchner Flughafens, der mit seinen beiden
parallel gelegenen und unabhängig voneinander zu betreibenden Bahnen
gut mit dem BER vergleichbar ist. Mit 377.000 Flugbewegungen 2014 stieß der
Münchner Airport an seine Leistungsgrenze und muss in Spitzenstunden
Starts und Landungen abweisen. Der Planfeststellungsbeschluss für
die dritte Bahn in München liegt bereits vor. Wir haben in der Vergangenheit
gesehen, dass Bürger mit ihrem Protest immer zu spät losgelegt
haben, um langfristige Planungsprozesse beeinflussen zu können.
Deshalb machen wir das Volksbegehren jetzt und nicht erst, wenn bereits
unumkehrbare Tatsachen geschaffen worden sind.
Welche Konsequenzen muß man daraus ziehen, dass Rot-Rot zwar
das Volksbegehren zum Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr angenommen
hat,
es jedoch nicht umsetzt?
Leider gab es im Text des Nachtflug-Volksbegehrens ein Schlupfloch. De
facto wurde der Landesregierung nur ein Verhandlungsauftrag mit Berlin
erteilt. Ungeachtet dessen ist die Art und Weise, wie mit dem erfolgreichen
Volksbegehren umgegangen wurde unwürdig. Diesmal gibt es eine zwingende
Handlungsanweisung. Wenn Berlin nicht mit dem rechtssicher verankerten
Verzicht auf eine dritten Bahn einverstanden ist, dann muss der gemeinsame
Landesplanungs-Staatsvertrag gekündigt werden und der Flughafen
aus der gemeinsamen Landesplanung herausgenommen. Brandenburg hat dann
die landesplanerischen Regelungen zu treffen.
Wie sieht der Zwischenstand beim Volksbegehren aus?
Der Landesabstimmungsleiter weigerte sich leider, uns die Halbzeit-Zahlen
zu nennen. Wir gehen aber davon aus, dass wir derzeit etwa die Hälfte
der benötigten 80.000 Unterschriften beisammen haben. Allein die
angeforderten Briefanträge über unsere Homepage belaufen
sich auf über 27.000. Die Eintragungsfrist endet am 18. Februar
2016, bis dahin haben wir also noch viel zu tun.
Wie kann man das Volksbegehren unterstützen?
Jeder aus Brandenburg ab 16 Jahre kann unterschreiben. Die Eintragungslisten
liegen in den Rat-häusern aus. Über unsere Homepage www.stimme-gegen-fluglärm.de
kann man ganz einfach auch Briefunterlagen für die Unterschrift
beantragen. Das Volksbegehren wird nur gelingen, wenn jeder, dem an
diesem Thema gelegen ist, aktiv wird, unterschreibt und sein persönliches
Umfeld davon überzeugt, dasselbe zu tun. Die Hürden liegen
extrem hoch. BER-Betroffene in Berlin können sich leider nur an
Aktionen zur Sammlung von Unterschriften etc. beteiligen.
Neues Deutschland, 30.12.2015
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