Dramatischer Endspurt beim Volksbegehren


70000 Brandenburger unterstützen Nachtflugverbot von 22-6 Uhr am Großflughafen


Die Zeit wird sehr knapp: Bis zum 3. Dezember müssen in ganz Brandenburg noch mindestens 10000 Unterschriften gesammelt werden, so die Prognose der Initiatoren. Sollte dies erfolgreich sein, kommt das Begehren zur Wiedervorlage im Landtag zur Abstimmung. Lehnt der brandenburgische Landtag das Nachtflugverbot wiederum ab, dann kommt es zum Volksentscheid. Marko Ferst befragte Mario Hausmann, als einen der aktiven Organisatoren in Erkner zur aktuellen Situation.

Ihre Stadt gilt neben Ludwigsfelde, Potsdam und Königs-Wusterhausen als „Sondergebiet“ in dem mit vereinten Kräften Unterschriften gesammelt werden.

Allein am vergangenen Wochenende sammelten wir rund 200 Stimmen in Erkner. Es gibt freilich auch Bürger, die den Ernst der Lage noch nicht begriffen haben.

Warum ist Erkner besonders betroffen vom Fluglärm?

Die Stadt Erkner wird von beiden Start- und Landebahnen des Flughafens BER „in die Zange genommen“ und wird dadurch rund 800 Überflüge am Tag über sich ergehen lassen müssen. Rechnet man mit zurzeit etwa 100 Überflügen, dann kann man von einer absolut dramati-schen Zunahme an Lärm ausgehen.

Wie weit ist die Umsetzung von Schallschutzmaßnahmen in Erkner und Umgebung gediehen?

Für Erkner ist bislang kein Schutz vorgesehen. Im Moment weigert sich der Flughafen, das rechtmäßige Schutzniveau anzuerkennen und Schutzmaßnahmen in den Schutzgebieten vor-zusehen, die sicherstellen, dass zumindest für die Wohnräume und kombiniert genutzten Wohn- und Schlafräume keine Pegelüberschreitungen von 55 dB(A) entstehen. Das Ministe-rium (MIL) ist der Meinung, dass 79 Überschreitungen in den sechs verkehrsreichsten Mona-ten zulässig sein sollen.
Außerhalb der Schutzgebiete müssen die Bürger nachweisen, dass die Einzelfluglärmereignis-se im Rauminnern den Maximalpegel von 55 dB(A) überschreiten. Diese Fragen sind für die Bürger jenseits der Schutzgebiete von großer Bedeutung. Wenn ein Bürger ein modernes Holzständergebäude hat, kann das bedeuten, dass auch er Schutzansprüche gegen den Flugha-fen hat. Diese Auseinandersetzung wird aber voraussichtlich nach dem Klageverfahren zum Schutzniveau geführt werden müssen.

Selbst das Bundesumweltamt warnt vor den Gesundheitsschäden von nächtlichem Fluglärm...

…besonders für Kinder und Kranke. Indem wir unseren Kindern den Schlaf rauben, fügen wir ihnen großen Schaden zu. Wir dürfen unsere Kinder später nicht kritisieren, wenn sie schlechte Zensuren in der Schule bekommen und anschließend keine Arbeit finden. Wer kann bei derartigem Krach lernen oder ruhig schlafen? Viele Menschen werden nachweislich durch Lärm krank, müssen sich in ärztliche Behandlung begeben oder werden gar berufsunfähig. Die Kosten hierfür zahlt nicht der Flughafen, sondern selbstverständlich wir alle mit unserem Steuergeld.

Wo können Brandenburger, die das Volksbegehren unterstützen wollen, ihre Unterschrift leisten?

Man geht mit seinem Personalausweis ins Rathaus. Das Ganze ist in ca. fünf Minuten erledigt. Viele Rathäuser öffnen sogar samstags. Wer diese Chance jetzt versäumt, der darf sich nach Eröffnung des Flughafens auch nicht über den Lärm beschweren. Überdies ist die Briefwahl möglich, dafür wird die Zeit jedoch knapp.

Auf Potsdam setzt die Initiative große Hoffnungen. Von den 130000 Berechtigten haben sich bisher nur rund 3000 beteiligt...

…da Potsdam zunächst weitgehend von Überflügen verschont bleibt. Die Flugrouten sind jedoch keine „Routen“, sondern ein nahezu geschlossener Lärmteppich. Dieser wird auch Potsdam treffen. Spätestens wenn die dritte Start- und Landebahn gebaut wird, dann ist auch Potsdam vollends verlärmt.

Was erwarten Sie von den regierenden Linken und der SPD in Brandenburg, wenn das Be-gehren erfolgreich ist?

Man muss realistisch bleiben. Die Wirtschaftslobby ist zu mächtig, Wirtschaft geht vor Ge-sundheit. Der Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD) ist angeschlagen. Seine Ar-roganz und Unbekümmertheit trägt ihn nun nicht mehr durch die Krise. Die Leute haben seine Politik satt, bei der ein Schulessen nicht mehr als zwei Euro kosten darf, ein Flughafen aber einige Milliarden mehr. Herr Ministerpräsident Platzeck (SPD) würde wohl gerne seine Bür-gerinnen und Bürger schützen, aber auch er ist dem Ruf des Geldes erlegen. Von der Links-partei als Regierungspartei in Brandenburg erwarte ich jedoch einiges: Sie unterstützt gerade aktiv die Protestaktionen für die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr. Stimmt sie bei einem erfolgrei-chen Volksbegehren nicht für selbige oder enthält sich der Stimme, ist sie meines Erachtens unglaubwürdig und nicht mehr wählbar.

Vordrucke für die Anforderung der Briefwahlunterlagen und weitere Informationen:
http://www.nachtflugverbot-ber.de/

22.11.2012, Neues Deutschland

www.umweltdebatte.de