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Wie viele Braunkohletagebaue
in der Lausitz brauchen wir?
Damian Arikas
Der Braunkohletagebau steht immer wieder in der Diskussion. Befürworter
behaupten gerne, dass es sich bei den Gegnern des Tagebaus um eine Handvoll Ökos
handelt, die ohne Rücksicht auf bestehende Arbeitsplätze argumentieren
und kein realistisches Energiekonzept haben. Warum das nicht stimmt und
warum alle Brandenburger das vom 10.10.08 bis 09.02.09 laufende Volksbegehren
gegen neue Tagebaue unterstützen sollten, wollen wir anhand einiger
Fakten klären.
Der Tagebau hat eine lange Tradition in Brandenburg. Zu DDR-Zeiten arbeiteten
ca. 75.000 Menschen in der Braunkohle. Seit 1991 wird der Kohleabbau
von der schwedischen Firma Vattenfall Europe weiterbetrieben. Heute sind
bei Vattenfall noch ca. 4190 direkt Beschäftigte (Prognos, Studie
im Auftrag der Vattenfall AG, Oktober 08) im Braunkohlebereich tätig.
Unter den zur Verfügung stehenden fossilen Energieträgern ist
die Braunkohle am energieärmsten und setzt die größten
Mengen CO2 frei (950g CO2/KWh). Sie gilt daher als extrem klimaschädlich.
Internationale Klimaziele sind mit der Braunkohle nicht einzuhalten,
deswegen wird auch bei den Energiekonzernen an dem Problem der CO2-Emission
seit langem gearbeitet. Die Antwort der Industrie heißt CCS, eine
Technologie mit der ein großer Teil des CO2 im Verbrennungsprozess
isoliert und in flüssiger Form in unterirdischen Endlagern gespeichert
werden soll.
In dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung
zur „CO2 Abscheidung und Lagerung bei Kraftwerken“ vom Juli
2008 wird dem Oxyfuel-Verfahren ein „hoher Energieverbrauch“ bescheinigt.
Darüber hinaus sei allen CCS-Verfahren gemein, „einen zusätzlichen
Brennstoffbedarf von bis zu 40% zur Folge“ zu haben. Um die gleiche
Menge Strom zu produzieren, müsste also die Braunkohleförderung
um 40% erhöht werden. Auch der Transport und die Endlagerung des
flüssigen CO2 sind ein ungelöstes Problem. Experten wie Prof.
Dr. Rolf Kreibich vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung
in Berlin bezweifeln das es möglich sein wird, für die anfallenden
Mengen CO2 in Deutschland ausreichende Endlager zu finden. Mit massivem
Widerstand in Politik und Zivilbevölkerung ist dabei ebenfalls zu
rechnen. Der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff
(CDU), sagte am 29.10.08 im RBB, sein Land „sei nicht bereit, verflüssigtes
Kohlendioxid aus Brandenburg in großen Mengen unterirdisch zu lagern“.
Ob das Gas über einen längeren Zeitraum wirklich unter der
Erde bleibt, ist bisher ebenfalls noch nicht wissenschaftlich bewiesen.
Niemand kann vorhersagen, ob die CCS-Technik serienreife erlangt und
wirtschaftlich eingesetzt werden kann. Diese Unwägbarkeiten und
ihre Folgen werden von Vattenfall jedoch stets verschwiegen oder heruntergespielt.
Für den Fall das die CCS-Technik nicht zum Einsatz kommen kann sagte
der Konzerchef Lars Göran Joseffson am 12.04.07 in der Zeit: „dann
haben wir ein echtes Problem. Dann müssen wir die Dämme höher
bauen“.
Eine weitere Hürde für die Braunkohleindustrie ist die neue
Auflage des Emissionshandelsgesetzes, das auf europäischer Ebene
im Jahr 2013 eingeführt wird. Die EU beabsichtigt die Zertifikate
für CO2 Emissionen stark zu verteuern um globale Klimaschutzabkommen
einhalten zu können. Daher ist es absehbar, dass der Handel mit
den CO2-Zertifikaten den Braunkohlestrom unwirtschaftlich macht. Ob die
CCS-Technik daran etwas ändern kann, ist schon deshalb fraglich,
weil sie große Kosten für neue Kraftwerke, höhere Brennstoffmengen
sowie den Transport und die Endlagerung des CO2 verursachen würde.
Für den Tagebau werden große Mengen Wasser benötigt.
Derzeit pumpt der aktive Braunkohlebergbau in der Lausitz mit 230 Mio.
Kubikmetern pro Jahr mehr Grundwasser ab als alle anderen Nutzer zusammen
(160 Mio.). Im ohnehin niederschlagsarmen Brandenburg ist die Höhe
des Grundwasserspiegels aber entscheidend für die Zukunft der Land-
und Forstwirtschaft. Experten wie Heiko Sonntag vom Regierungspräsidium
Dresden kritisieren als Folge des Bergbaus auch eine Versalzung der Flüsse
mit Sulfat. Dies hat besonders für die Trinkwassergewinnung Berlins
und Brandenburgs große Auswirkungen. Die Überschreitung des
zulässigen Grenzwertes von 240 mg Sulfat pro Liter ist schon heute
problematisch, eine technische Lösung zur industriellen Reinigung
des Wassers gibt es bisher nicht.
Der Abbau von Braunkohle erfordert gewaltige Eingriffe in die Landschaft.
Für die Gewinnung einer Tonne Kohle müssen bis zu 11 Tonnen
Erdreich abgebaggert werden. Menschen in den betroffenen Regionen müssen
umgesiedelt werden, Dörfer verschwinden von der Landkarte (in der
Lausitz wurden seit 1922 136 Dörfer umgesiedelt, 54 weitere Siedlungen
stehen auf den wirtschaftlich gewinnbaren Reserven). Abgesehen von der
Zerstörung von Naturschutzgebieten, gewachsenen Landschaften und
Kulturräumen gibt es bis heute keine Untersuchung darüber,
wie viele Arbeitsplätze in Land- und Forstwirtschaft, produzierendem
Gewerbe und Tourismus durch das Abbaggern vernichtet werden.
Die bestehenden Abbaugebiete würden nach Berechnungen des BUND auch
ohne neue Tagebaue bis zum Jahr 2040 ausreichen. Aus diesem Grund vertreten
die Initiatoren des Volksbegehrens „Gegen neue Tagebaue“ die
Auffassung, dass neue Abbaugebiete weder ökonomisch noch umweltpolitisch
sinnvoll sind. Nach Meinung des Bündnisses aus Umweltverbänden
(u.a. BUND, NABU, zahlreiche Bürgerinitiativen, den Grünen
und den Linken) reicht es völlig aus, die bestehenden Gebiete bis
zum Ende abzubauen. Dies wäre ohne die Gefährdung von heutigen
Arbeitsplätzen möglich. „Aufgabe von Politik und Energiewirtschaft
ist es, in die Zukunft zu denken und in den nächsten 32 Jahren bis
zum Ende der Braunkohleförderung eine wirtschaftlich und umweltverträglich
zukunftsfähige Energieversorgung aufzubauen“ sagt Axel Kruschat,
Geschäftsführer des BUND Brandenburg. Dieses Ziel ist in der
Tat für das Land Brandenburg schon in naher Zukunft erreichbar.
53% der hier erzeugten Strommenge wurden 2004 in andere Länder exportiert.
Bei einem vorgesehenen Anteil der erneuerbaren Energien am Brandenburger
Stromhaushalt von 34% für 2020 (laut Planung der Landesregierung)
kann demnach schon in zwölf Jahren fast der gesamte Strombedarf
Brandenburgs aus erneuerbaren Energien bezogen werden. Eine zusätzliche
Steigerung der Stromproduktion mit Braunkohle macht also nur dann Sinn,
wenn der überschüssige Strom von Vattenfall gewinnbringend
verkauft wird. Warum Brandenburg dafür die Rechnung zahlen soll
bleibt offen.
www.umweltdebatte.de
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