Worte und Gedanken, subtil und manchmal subversiv

Seit 25 Jahren treffen sich Umweltschriftsteller und tauschen sich aus

1981 begründete Reimar Gilsenbach die Brodowiner Gespräche. Schriftsteller und Wissenschaftler diskutierten gemeinsam drängende Fragen des Natur- und Umweltschutzes. Daraus ging nach der 1989er Wende der Arbeitskreis „LITERATUR UM WELT“ hervor. Marko Ferst sprach mit Jutta Schlott, der Leiterin des Arbeitskreises, über die Tagungen der Umweltschriftsteller und was bleibt.

Foto Festersen


Welche Ziele hatte man sich am Anfang gestellt und veränderten sich diese mit der Zeit?


Die Konflikte sind geblieben, ihre Erscheinungsformen haben sich verändert. Unsere Bemühungen richten sich nach wie vor – so banal das mittlerweile klingen mag – auf den Schutz der Lebensräume für Menschen, Tiere, Pflanzen. Wir streben nach Frieden, friedlichem Umgang miteinander, nach Freiheit von Gewalt. Und das alles nicht nur für unsere unmittelbare Umgebung.
Als ich vor fünfzehn Jahren die Leitung übernahm, haben wir ein kleines „Aktiv“ etabliert. Diese kollektive Form der Zusammenarbeit für die Vorbereitung von Tagungen, Lesungen, Exkursionen, aber auch für Problemlösungen, hat sich bewährt. Bei der Gründung des Arbeitskreises war ich noch nicht dabei. In den ersten zehn Jahren wurde er von Lia Pirskawetz geleitet.
Zu den Herausforderungen, die sich uns und anderen umweltbewußten Menschen seit Jahrzehnten stellten und stellen verweise ich auf den sorbischen Autoren Jurij Koch, einer der Vordenker bei uns, der auf dem letzten Schriftstellerkongreß der DDR formulierte: „Wir brauchen einen Aufstand an Kreativität.“ Den brauchen wir noch immer.

Schriftsteller, die sich für den Schutz der Löwen in Namibia einsetzen, den Erhalt einer naturnahen Elbe im Blick haben oder Umweltbildung im NABU organisieren: Das Engagement scheint sehr vielfältig zu sein?

Alle Aktivitäten werden wesentlich von individuellen Erfahrungen, Interessen und vom jeweiligen Lebensumfeld bestimmt. Wir kommen aus der ganzen Bundesrepublik, die Lebensorte reichen von München bis Mecklenburg. Die eigentliche Arbeit wird ja von jeder und jedem außerhalb unserer Zusammenkünfte geleistet. Der Kampf um den Erhalt einer Allee im Brandenburgischen, das Engagement für „Stuttgart 21“ oder die Verbesserung der Lebensbedingungen der Aborigines in Australien liegen dabei auf einer Ebene.

Welche Werke könnte man erwähnen von Autoren des Arbeitskreises, die den ökologischen Horizont besonders stark ausleuchten?

Namen zu nennen, wäre ungerecht. Die Vielzahl der Veröffentlichungen aus unserem Kreis wird in der Öffentlichkeit nicht analog zu ihrer literarischen und journalistischen Qualität wahrgenommen. Es geht nicht nur um Bücher. Ein Feature von Carola Preuß und Gerd Ruge, ein Gedicht von Richard Pietraß oder den beiden viel zu früh verstorbenen DichterInnen Gisela Kraft und Arnold Leifert, ein Lektorat von Annegret Herzberg, Übersetzungen aus dem Chinesischen von Helga und Erhard Scherner finden selten die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Kluge Worte und Gedanken, subtil und manchmal subversiv, können dennoch Wirkungen entfalten, wenn sie sich im Denken einnisten und so mitunter auch zu bewußterem ökologischen Handeln führen.
Hervorheben möchte ich trotzdem: „Der stille Grund“ von Lia Pirskawetz, 1985 erschienen, wird seinen bleibenden Platz in der Umwelt-Literatur behaupten. Ein kenntnisreicher Text, der temporäre politische und ökonomische Verhältnisse, die Eingriffe der Menschen in Landschaft und Umwelt in ihren kausalen Zusammenhängen aufzeigt und erhellt.

Was ist jetzt zur 25. Tagung geplant?

Auf der Jubiläums-Tagung werden wir uns hauptsächlich der Literatur zuwenden. Es gibt Vorträge zum Naturgedicht im zwanzigsten Jahrhundert, zum essayistischen Schaffen von Lutz Seiler, eine Reminiszenz an Horst Sterns „Jagdnovelle“ von 1989 und in der Bibliothek in Wittstock eine Lesung von Nell Zink aus ihrem neuen Buch „Der Mauerläufer“.

Es wird die letzte mehrtägige Tagung der Umweltschriftsteller sein. Welche Bilanz läßt sich ziehen?

Es gibt mehrere Gründe, jetzt einen selbstbestimmten Schlußpunkt zu setzen. Einer davon: Jutta Schölzel, die Geschäftsführerin unseres Dachvereins FÖN e.V., hat jahrzehntelang weit mehr als ihre Pflicht getan und wird ihre berufliche Tätigkeit beenden. Sie hat den Hauptanteil der praktischen Arbeit geleistet: Von der Beschaffung von Fördermitteln, über das Gewinnen von ReferentInnen und GesprächspartnerInnen, bis zum Finden von geeigneten Quartieren.
Die Fünfundzwanzig ist eine stattliche Zahl. Dafür, dass wir sie erreichen konnten, haben wir vielen Menschen und Institutionen zu danken. Dem Land Brandenburg für seine Förderung; den Referentinnen und Referenten für anregende, aufregende Beiträge; den ungezählten HelferInnen an den Tagungsorten zwischen Rheinsberg und Heiligengrabe, die unsere Wünsche freundlich aufnahmen. Wir danken dem RBB für die Übertragung von Podiums-Gesprächen, für uns ein wichtiges Fenster ins Öffentliche. Und last but not least, danken wir unserem Mitstreiter Volker Braun für sein uneigennütziges, solidarisches Beistehen von Anfang an.
Ich hatte die Leitung mit dem Ehrgeiz übernommen, jüngere Menschen zur beständigen Mitarbeit in unserem Kreis zu gewinnen; das ist nur bedingt gelungen. Nach uns, den Gründervätern und -Müttern, sind inzwischen fast zwei Generationen herangewachsen. Sie haben sich, berechtigterweise, andere Formen des Einmischens in die gesellschaftlichen und ökologischen Verhältnisse geschaffen. Was bleibt? Für jede und jeden, die dabei waren, wohl eine ureigene persönliche Erfahrung. Vielleicht Bereicherung, sicher bewahrenswerte Erinnerungen. Was von unserem Bemühen überlebt, wird die Zeit entscheiden. Oder, um Hölderlin zu zitieren: „Wir, so gut es gelang, haben das Unsere getan.“

erschienen: Neues Deutschland online, 16.9.2016

 

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