Atomkatastrophe in einem AKW jederzeit möglich

 

Marko Ferst

 


1. Reaktoren in Deutschland sind nicht frei von Störfällen

Beim Betrieb eines Atomkraftwerkes werden Urankerne (Uran-235) mit Neutronen beschossen. Das kurzlebige Zwischenprodukt Uran-236 entsteht. Dieser Kern zerplatzt mit hoher Energie. Bewegungsenergie wandelt sich in Wärme um. Es entsteht ein radioaktiver Cocktail aus mehr als 100 Spaltprodukten. Bei älteren AKW wird der Betrieb immer gefährlicher. Verarbeitungsmängel oder rißanfälliger Stahl können dazu führen, daß Rohrleitungen brechen und kontaminiertes Kühlwasser herausströmt. Fehlt eine ausreichende Kühlung, überhitzt der Reaktor. Infolge kann es zu einem größten anzunehmenden Unfall (GAU) kommen. Risse in Rohrleitungen sind in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen, 1995 zum Beispiel in Biblis B. 2002 riß in Neckarwestheim-2, dem neuesten Atomkraftwerk in Deutschland, ein Wärmeschutzrohr.
Das deutsche Atomrecht sah vor, wird einem Reaktor der Betrieb genehmigt, dann ist diese Genehmigung bis 2001 unbefristet gewesen. Nach wie vor kann selbst ein völlig veraltetes, hochgefährliches Atomkraftwerk bis zu seinem flexiblen Stillegungstermin nach Atomkonsens in Betrieb bleiben, obwohl es unter dem Sicherheitsaspekt längst nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Viele der deutschen Atomkraftwerke, die heute noch laufen, wären als Neuanlagen bei deutschen Behörden schon seit vielen Jahren nicht mehr genehmigungsfähig gewesen, trotz verschiedenster Maßnahmen zur Modernisierung und Wartung. Biblis A und B, Obrigheim (der älteste betriebene Reaktor in Deutschland), die Druckwasserreaktoren Unterweser und Nekarwestheim 1 gehören in diese Kategorie, ebenso wie die erste Generation der Siedewasserreaktoren in Brunsbüttel, Philipsburg 1 und Krümmel. Als diese Kraftwerke geplant und gebaut wurden, waren die heute gültigen kerntechnischen Regelwerke und die ihnen zugrunde liegenden Sicherheitsanforderungen noch nicht formuliert. Die Entflechtung der Notfallsysteme lag weit entfernt von heutigen Anforderungen. Sie können gemeinsam versagen. Mängel im Brandschutz sind zu verzeichnen.
Aus den Sachverhaltsdarstellungen des Bundesumweltministeriums für den Atom-Arbeitskreis der Ministerien vom 12.8.1999 geht hervor, daß man bei der Risikoabschätzung von AKW-Unfällen nicht berücksichtigt hat, daß in 97% der Fälle mit einem frühen Containmentversagen, also einem Versagen des Sicherheitsbehälters, zu rechnen ist. Dies stellte man in der „Deutschen Risikostudie Phase B“ von 1989 fest. Daraus folgt, die Gefahrenpotentiale wurden um weit mehr als den Faktor 10 unterschätzt in früheren Studien. Wenn in der Regel damit zu rechnen ist, daß bei einem schweren Unfall sich innerhalb von wenigen Stunden massive radioaktive Freisetzungen vollziehen, so ist auch der Schutz durch Maßnah-men der Katastrophenabwehr massiv überschätzt worden.
Früher wurde davon ausgegangen, man hätte bis zu vier Tage für eine Evakuierung Zeit. Schnelles Containmentversagen und damit keine wirkliche Phase für Evakuierungen spitzen die Lage extrem zu, so die offizielle Einschätzung. Hinzu kommt, daß Sicherheitssysteme, die einem größten anzunehmenden Unfall (GAU) entgegenwirken, vielfach sogenannte Handmaßnahmen, von der richtigen Situationseinschätzung des Personals abhängen. Daraus zieht man in dem Papier des Bundesumweltministeriums den Schluß, alle laufenden Atomkraftwerke wären nach diesem Maßstab heute nicht mehr genehmigungsfähig und entsprechen nicht mehr dem Sicherheitsstandard, der vom Atomgesetz nach dem derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik gefordert ist.
In vielen Ländern gelten die eigenen Reaktoren als die sichersten der Welt. Auch von deutschen Anlagen wird dies regelmäßig behauptet von Teilen der Wirtschaft und der Politik. Doch es gibt keine deutschen Reaktoren in Betrieb. Siemens und AEG bauten einst die Siede- und Druckwasserreaktoren in Lizenz von General Electric und Westinghouse. Auch die originalen Sicherheitsvorkehrungen sind Importergebnis. Unstrittig ist, amerikanische AKW gehören im Verhältnis zu Anlagen etlicher anderer Länder zu den zuverlässigeren. Doch offiziell zugegeben werden mußte, es existieren über 200 schwerwiegende ungelöste Sicherheitsfragen. Wesentliche Sicherheitsunterlagen wurden verfälscht, um die Anlagen für den Betrieb genehmigt zu bekommen.
Problematisch ist, mit der Untersuchung der vielfältigen Sicherheitsanforderungen in den Atomkraftwerken und den Nachweisen dafür sind die wenigen Fachbeamten in den Aufsichtsbehörden der Länder und des Bundes oftmals überfordert. Sie verlassen sich auf die Aussagen von Gutachten. Doch es existieren auch nur wenige Gutachter und TÜVs, die wiederum auf die lukrativen Aufträge aus der Atomenergie angewiesen sind. Also gibt es ein Netzwerk aus Abhängigkeiten und mangelnden Kontrollmöglichkeiten, was dazu führen kann, daß wichtige sicherheitstechnische Aspekte fehleingeschätzt werden. Ob die Reaktorsicherheitskommission, als diesbezüglich oberstes Expertengremium in Deutschland, diese Schwachstellen überbrücken kann, bleibt eher zu bezweifeln. Die „Basissicherheit“ der Atom-kraftwerke, zugesichert durch die Betreiber und Gutachter, wird nicht jeden möglichen technischen Störfall ausschließen können. Festzustellen ist, die noch im Atomkonsens ausgehandelten Betriebsjahre für die AKW werden auf einem geringeren Sicherheitslevel ablaufen als der bisherige Betrieb. Die Anlagen werden älter, und infolgedessen tauchen Verschleißerscheinungen in höherem Maße unvermeidlich auf, die dann auch Auslöser für Störfälle werden können.
Zwar ist ein Unfallablauf wie in Tschernobyl in deutschen AKW nicht möglich, weil die deutschen Atomreaktoren die konstruktiven Mängel der sowjetischen RMBK-Reaktoren nicht aufweisen. Doch gibt es auch für die deutschen Reaktoren zahlreiche Hinweise darauf, daß die Möglichkeit zu größten anzunehmenden Unfällen besteht. Ein solcher kann zum Beispiel bei Leichtwasserreaktoren hervorgerufen werden durch eine heftige Explosion von Wasserstoffgas, wie es frühzeitig im Verlauf einer Kernschmelze entsteht. Schlagartige Freisetzungen sind möglich durch Dampfexplosionen oder das Durchschmelzen des Reaktorkessels bei hohem Innendruck. In diesen Fällen bietet auch der stählerne Sicherheitsbehälter mit der umgebenden Stahlbetonhülle keinen Schutz.
Große radioaktive Freisetzungen sind auch möglich innerhalb weniger Stunden, wenn der Sicherheitsbehälter nicht dicht ist bei einem Reaktorunfall. Eine Schwachstelle sind die zahlreichen Rohrleitungen, die ihn durchdringen. Auch wenn der Sicherheitsbehälter zunächst standhält, kann der Innendruck später so hoch werden, daß er zerstört wird oder gezielt eine Freisetzung durchgeführt wird, um den Druck abzubauen.
Knapp vor der großen Katastrophe stand 1987 der Block A vom Atomkraftwerk Biblis. Es handelt sich um den bisher schwersten Störfall in einem deutschen Atomkraftwerk. Der Sicherheitsbehälter wäre wirkungslos geblieben. Ein wichtiges Ventil blieb beim Hochfahren des Reaktors versehentlich offen und ließ sich nicht schließen. Dies wurde drei Arbeitsschichten lang übersehen. Dann spielten die Ope-rateure ein waghalsiges Spiel: Durch Öffnen eines zweiten Ventils sollte das Klemmen des anderen beseitigt werden. Damit war der Beginn eines „Super-GAU“ eingeleitet, Kühlmittel strömte aus dem Reaktor heraus. 107 Liter radioaktiven Wassers liefen aus. Bei mehr Verlust hätte das Notkühlsystem einspringen müssen. Reines Glück war es, daß das klemmende Ventil sich sieben Sekunden nach diesem Schritt löste. Anderenfalls bräuchte man wahrscheinlich heute nicht mehr über die Auslaufzeit der Reaktoren in Deutschland verhandeln. Sie wären vermutlich stillgelegt.
Für den Reaktorfahrer der Bedienmannschaft hatte der Unfall Folgen: Er starb ein Jahr später an Leukämie. Noch eine andere Folge stellte sich ein: Die US-Atombehörden waren wenig erbaut über die Informationspolitik der deutschen Seite. Diese hatte den Unfall einfach versucht zu vertuschen und ihn geheimzuhalten. Ein amerikanischer Informationsdienst deckte den Unfall Ende 1988 auf. Da dieses Störfallszenario bislang nicht bekannt war, wollten die amerikanischen Behörden auf diese Möglichkeit hingewiesen werden.
Ein anderer schwerer Zwischenfall ereignete sich 1978 im Atomkraftwerk Brunsbüttel. Ein Stutzen der Frischdampfleitung riß ab. Drei Stunden lang strömten etwa 145 Tonnen radioaktiv verseuchter Dampf ins Freie. Eine Katastrophe fand nur deshalb nicht statt, weil der Reaktor auf niedrigem Leistungsniveau gefahren wurde und ein nicht beabsichtigter Kurzschluß den Reaktor automatisch abschaltete.
1992 schrammte Schweden an einer Kernschmelze vorbei, auch deutsches Gebiet hätte bei ungünstiger Windrichtung mit radioaktiven Nukliden überzogen werden können. Ein Leck im Kühlwassersystem trat auf. Das Notkühlsystem mußte eingeschaltet werden. Es löste sich durch den entstehenden Druck Isoliermaterial, verstopfte die Siebe vor den Ansaugöffnungen. 50 Minuten vergingen, die Situation wurde kritisch. Die Betriebsmannschaft schaltete die Notkühlung aus, um die Siebe freizuspülen. Der Reaktor lief zum Glück zu diesem Zeitpunkt nur noch mit sehr geringer Leistung, sonst hätte die Situation schnell äußerst kritisch werden können. Der Störfall Bärsebeck in Schweden führte dann auch in Deutschland zu Konsequenzen. Alle Notkühlsysteme der Reaktoren in Deutschland wurden überprüft.

2. Was können wir aus der Atomkatastrophe in Tschernobyl lernen?

Eine Kernschmelze in einem deutschen Atomkraftwerk hätte gegenüber dem Tschernobylreaktor die abweichende Folge, daß die radioaktiven Stoffe auf einer kleineren Fläche, dafür aber stärker konzentriert niedergehen würden. Der Graphitbrand in dem russischen AKW führte zu einem starken Aufwind, der die radioaktiven Stoffe in große Höhen aufsteigen ließ und sehr weiträumig und verdünnt die Partikel verteilte. Bei einem deutschen Unfall würde sich die Ausbreitung auf einige hundert Kilometer vom Unglücksort beschränken und in diesen Gebieten eine höhere Strahlenbelastung hervorrufen entsprechend der Verteilung durch die Windverhältnissen, weil die Freisetzungshöhe über dem Kraftwerk deutlich niedriger wäre.
Hinzu kommt, Reaktoren wie Krümmel und Brockdorf mit 1300 Megawatt wären erheblich größer als der Tschernobylreaktor. Wegen seiner militärischen Nutzung wurde der sowjetische Reaktor mit weniger Abbrand gefahren, die Brennelemente häufig ausgetauscht, während bei normalen Kraftwerken in Deutschland die Elemente bis zu 6 Jahren genutzt werden können. Im Unglücksfall würde dieser Umstand zu erheblich mehr radioaktiven Freisetzungen wie in Tschernobyl führen. Dort war der Unfall im Vergleich zu den Möglichkeiten auch glimpflich verlaufen. Nur weniger als fünf Prozent der Strahlung wurden freigesetzt. Das waren allerdings immer noch 6,4 Milliarden Curie.
Die westlichen Reaktoren sind sicherer, wenn es darum geht, bei kleineren Unfällen Radioaktivität zurückzuhalten. Der Innenraum der Anlagen ist voluminöser, es existiert ein massiver Reaktordruckbehälter und ein schweres Reaktorgebäude. Bei den älteren Anlagen sind diesbezüglich Abstriche zu machen. Im Reaktorgebäude wird im Fall einer Kernschmelze jedoch ein sehr viel höherer Druck aufgebaut als beim ukrainischen Unglücksreaktor. Daher können die deutschen Reaktoren wie Bomben explodieren.
Bei der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl wurde ein Gebiet verstahlt, ungefähr drei mal so groß wie die Schweiz. Zwei Drittel von Weißrußland sind radioaktiv beeinträchtigt, 70 Prozent des Fallouts gingen dort nieder. Wie ein überdimensionierter Zangenkopf, nach Westen leicht offen, ziehen sich verstrahlte Gebiete um die weißrussische Hauptstadt Minsk bis zur polnischen Grenze. 23 Prozent der Fläche Weißrußlands wurden 1986 mit mindestens einem Curie pro Quadratkilometer allein durch Casium-137 verseucht. Die höchstbelasteten Gebiete mit Cäsium-137 befinden sich direkt nordwestlich vom Reaktorstandort und in 100 bis 200 Kilometer Entfernung in nordöstlicher Richtung zwischen Gomel, Mogiljow und Brjansk. Einige Gebiete südlich von Moskau ungefähr auf der Höhe von Kaluga müssen auch dazugezählt werden. Eine unregelmäßig geformte Todeszone, die völlig entsiedelt ist, mit einem Durchmesser von ungefähr 60 Kilometern, zieht sich um die Kernkraftwerksstadt Pripjat. Regionale radioaktive Flecken reichen von der Grenze zu Polen bei Brest, bis an die Schwarzmeerküste nach Georgien. Fast alle westgeorgischen Rayons wurden belastete Zonen, mehr als 1000 Kilometer vom Reaktor entfernt. Man schätzt, ungefähr neun Millionen Menschen bekamen eine deutlich erhöhte Strahlung ab.
Erhöhte Werte von radioaktivem Cäsium-137 finden sich bis etwa Kasan, rund 900 Kilometer östlich von Moskau. Von dort bildet die Fläche ein Dreieck bis hinunter zur nordöstlichsten Spitze des Asowschen Meeres, und die dritte Seite führt fast hinauf bis Smolensk. Moskau selbst ist verschont geblieben. Ein größerer belasteter Landstrich befindet sich bei Petersburg und Nowgorod. Belastungen sind in Rumänien, in großen Teilen Moldawiens, besonders stark in Österreich und Slowenien, im mittleren Teil von Schweden sowie Norwegen, dort auch nordwestlich von Oslo zu finden. Der ganze südliche Teil von Finnland betroffen. Auch in Teilen Bayerns sind erhöhte Werte signifikant. Eine detaillierte Karte befindet sich im Anhang.
Der zerstörte Reaktor des 4. Energieblocks feuerte ungefähr 50 Tonnen radioaktive Substanzen in die Atmosphäre und das Umfeld. Uranoxid in Form von Feindispersionsteilchen, hochradioaktive Nuklide von Jod-131, Plutonium-239, Neptun-139, Cäsium-137, Strontium-90 und viele andere Radioisotope wurden freigesetzt. Hinzu kommen 70 Tonnen Brennstäbe, die nicht direkt aus der aktiven Zone des Reaktors stammten. 700 Tonnen radioaktiven Reaktorgraphits wurden ins unmittelbare Umfeld des Atomkraftwerks ausgeworfen. Dieses Unglück hatte das radioaktive Verstrahlungsausmaß von rund 300 Hiroshimabomben.
Aufschlußreich ist eine erste Prognose des Gesundheitsministeriums der UdSSR aus den Monaten nach der Reaktorkatastrophe. Für die 75 Millionen Menschen, die im europäischen Teil der ehemaligen Sowjetunion leben, rechnete man im Laufe der kommenden 70 Jahre mit 40.000 Todesfällen, dabei 5.000 Fällen von Leukämie. Gegenüber dem normalen Faktor prognostizierte man 23.000 zusätzlich Fälle an Mißbildungen. Die Angaben verstand man als vorläufige Schätzung, die bei genauerer Kenntnis der Dosisbelastungen im Land entsprechend korrigiert werden müßte. Inzwischen dürfte man sich längst weit über diesem Level bewegen.
Evakuierungsgebiete gibt es bis in 150 Kilometer Entfernung vom Unglücksreaktor, einzelne Ortschaften wurden sogar in 400 Kilometer Entfernung für mehrere Jahre evakuiert. In Deutschland sind interessanterweise in Katastrophenschutzplänen außerhalb einer 25 Kilometerzone keine umfassenden Schutzmaßnahmen vorgesehen. Es gibt keine vorbereiteten Pläne zur Evakuierung. Sie dürften damit nur sehr bedingt zu gebrauchen sein.
Die volkswirtschaftlichen Schäden des Tschernobylunglücks werden auf ungefähr 3 Billionen Euro geschätzt. Letztlich läßt sich der Schaden nicht in Geld angeben. Belarus muß nach wie vor rund ein Viertel des Bruttoinlandsproduktes für die Bewältigung der Katastrophe einsetzen. Eine außerordentliche Tschernobyl-Steuer von 18 Prozent des Lohnfonds bei allen Betrieben wird erhoben. In Kiew wurde ein eigenes Tschernobyl-Ministerium eingerichtet.
Durch die Zerstörung des Blocks 4 im Kernkraftwerk bei Tschernobyl in der Ukraine mußten mehr als 500.000 Menschen auf Dauer ihre Wohnungen und Häuser verlassen. Nach wie vor gibt es Ortschaften, wo eine Umsiedlung schon unmittelbar nach dem Unglück geboten gewesen wäre. Gegenüber den dortigen Siedlungsgebieten weist Deutschland eine durchschnittlich 10fache Besiedlungsdichte auf. Mehrere Millionen Menschen müßten umgesiedelt werden, wenn in einem der 18 deutschen Atomkraftwerke ein größter anzunehmender Unfall eintritt. Besonders schwerwiegend wäre es, wenn eine Millionenstadt wie z.B. Hamburg davon betroffen wäre. Gerade hier wurden im weiteren Umfeld viele Atomkraftwerke gebaut. Das ist schon von Anfang an ein gefährliches Spiel gewesen, dem man bei der Planung Einhalt hätte gebieten müssen.
Die deutschen Behörden sind nicht mal in der Lage, innerhalb des engeren Kreises um die AKW die vorsorgende Austeilung von Jodtabletten angemessen zu organisieren. Sie sollten unmittelbar vor Ort greifbar sein für jeden. Das scheint eine zu schwierige logistische Aufgabe zu sein. Da dies außerdem zu teuer ist, müssen sich die über 45jährigen die Schilddrüse schlicht verstrahlen lassen. Sie bekommen keine Tablette. Diese sorgt dafür, daß die Schilddrüse mit normalem Jod abgefüllt wird, bevor sich das bei einem Atomunfall freigesetzte Jod-Isotop 131 festsetzen kann. Radioaktives Jod löst Schilddrüsenkrebs aus. Außerhalb der 25-Kilomterzone ist der Bund für die Verteilung der Jodtabletten zuständig. Wie diese zentral gelagerten Bestände im Ernstfall rechtzeitig bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ankommen sollen, bleibt ungeklärt. Diese medizinische Maßnahme kann allerdings nur gegen konkret eine Schädigung helfen. Viele andere Folgekrankheiten durch die Strahlung lassen sich nicht abwenden.
Interessant ist zu studieren, wie die Bevölkerung auf den Evakuierungsfall vorbereitet wird. Nimmt man zum Beispiel die Handreichungen des Kernkraftwerks Krümmel an alle Haushalte im 10-Kilometer-Radius, so stellt sich sofort die Frage, warum zumindest nach dortiger Angabe Katastrophenschutzpläne nur für diesen kleinen Radius vorliegen. Bei einem schweren Reaktorunfall wird vor allen Dingen folgender Konflikt entstehen: Ist es besser, wie unter anderem empfohlen, sich im Keller aufzuhalten, oder doch sinnvoller schnellstens das Auto zu nehmen, so man eines hat, und möglichst hunderte Kilometer weit weg zu fahren? Dabei kann sicherlich das Anschalten von Fernsehen und Radio Entscheidungshilfe sein, aber auch nur dann, wenn sofort über die reale Lage wahrheitsgemäß informiert wird. Unter Umständen ist es sinnvoller, den ersten Schlag mit radioaktiven Nukliden abzuwarten, als dann gerade im Stau zu stehen. Schlecht dran sind diejenigen, die kein Auto besitzen und sich an den angegebenen Sammelpunkten einfinden müssen bzw. ein weißes Laken heraushängen sollen. Gefragt werden muß auch, warum nicht staatliche Stellen, diesen Ratgeber herausgeben, sondern der AKW-Betreiber.
Bei einem Atomunfall greift keine der üblichen Versicherungen. In Hausratsversicherungen u.a. sind solche Schäden ausdrücklich ausgenommen. Die Versicherungsgesellschaften sind der Meinung, dieses Risiko ist nicht versicherbar, und sie verweisen auf die Deckungsvorsorge der betreibenden Energieunternehmen. Es besteht ein Entschädigungsanspruch nur gegen die Betreiber der Atomanlagen. Da diese nach wie vor extrem unterversichert sind, wird man von dieser Seite kaum auf nennenswerte Zahlungen rechnen dürfen. Das verursachende Unternehmen wird in Konkurs gehen. Neben den extrem hohen gesundheitlichen Risiken werden die Bürger und Bürgerinnen also auch für die materiellen Schäden aufkommen müssen. Auf den Staat zu hoffen, dürfte ebenso unrealistisch sein. Kommt es zu einem größten anzunehmenden Unfall in einem Atomkraftwerk, dann werden unzählig viele Menschen in Notunterkünften für lange Zeit leben müssen. Die Arbeitslosigkeit steigt rasant an und damit auch die weiteren finanziellen Lasten, die im Land geschultert werden müssen.
Wenn in den geheimen sowjetischen Dokumenten zum Atomunfall zu lesen ist, radioaktiv verstrahltes Fleisch soll in Fleischfabriken im Baltikum, Kasachstan, den transkaukasischen Republiken, Moldawien und Mittelasien außer in Moskau zu je einem Zehntel normalem Fleisch beigemengt werden , so mag man dies auf den ersten Blick für eine Ausgeburt des damaligen Systems halten. Käme es aber zu einem „Super-GAU“ in Deutschland, so wäre mindestens das halbe Land radioaktiv kontaminiert. Unvermeidlich werden verseuchte Produkte im Einkaufswagen landen. Es ist völlig unmöglich, von einem auf den anderen Tag eine auswärtige Belieferung sicherzustellen. Lebensmittelskandale würden wohl unvermeidlich reihenweise stattfinden. Sämtliche Lebensmittelfabriken in den kontaminierten Bundesländern stünden mehr oder weniger vor dem Aus. Bestreiten wir unsere Nahrungsversorgung zu einem erheblichen Anteil aus europäischen Nachbarländern, steigen die Lebensmittelpreise enorm an. Das dürfte dann wieder den Absatz kontaminierter Nahrung fördern. Nach wie vor wird in verstrahlten Gebieten Weißrußlands, der Ukraine und Rußlands über die Nahrungsmittel am meisten Radioaktivität aufgenommen. Nachgeprüft werden die Lebensmittel in den belasteten Gebieten nicht systematisch. So berichtet ein Kolchoschef einer Gemeinde aus der Region Gomel, seine Mich wird auch an Betriebe, die Nahrungsmittel für Babys herstellen, geliefert, obwohl der Boden erheblich kontaminiert ist. In der Milch finden sich die Radionuklide besonders konzentriert.
Wie aus einem sowjetischen geheimen Regierungsprotokoll zu ersehen ist, erreichte man mit der komplexen Dekontamination den besten Effekt bei der Verringerung radioaktiver Belastung. Dabei wird die Bodenoberschicht vollständig abgetragen, einzelne Stellen werden asphaltiert. Bis zum Oktober 1986 wurden laut Protokoll in den Gebieten Gomel, Mogiljow, Kiew und Shitomir ca. sieben Millionen Qua-dratmeter Boden abgetragen. 208.000 Kubikmeter Erde lud man auf provisorisch eingerichteten Deponien ab. Bei einem deutschen Unfall würden ebenfalls große Gebiete von kontaminierten Böden abgetragen werden müssen, aber eher wohl mehr, weil man vielleicht genauer messen wird wie in der einstigen UdSSR und der radioaktive Fallout weniger weiträumig verteilt wird. Greenpeace schätzt, ungefähr 800 Abfallhalden wurden während der ersten Aufräumarbeiten angelegt. Rund eine Million Kubikmeter radioaktives Material vergrub man oberflächennah, ohne weitere Schutzmaßnahmen. Diese Halden bedrohen das Trinkwasser. Radioaktive Stoffe können so in die Nahrungsmittelkette gelangen.
Für die Aufräumarbeiten nach dem Reaktorunglück wurden ungefähr 800.000 Menschen herangezogen. Hier wird das menschliche Drama besonders deutlich. Bezieht man die Erfahrungen und das Wissen der Liquidatorenverbände mit ein, so muß man davon ausgehen, daß bereits bis zur Jahrtausendwende rund 50.000 von ihnen gestorben sind. Eingerechnet ist dabei die sehr hohe Selbstmordrate. Nach russischen Angaben sind viele Liquidatoren Invaliden, leiden an Herz-Kreislauf-Problemen, Lungenkrebs, Leukämie und Entzündungen des Magen-Darm-Bereichs.
Bei vielen Menschen wurde das Knochenmark schwer geschädigt. Weiße und rote Blutkörperchen und Blutplättchen bilden sich nur in gestörter Weise. Infektionskrankheiten, Entzündungen und schlechte Wundheilung weisen auf den Zusammenbuch der körpereigenen Abwehr hin. Das sind die Folgen einer durch die Strahlung verursachten Immunschwäche. Jurij Stscherbak prägte dafür den Begriff „Tschernobyl-Aids“. Wladimir M. Tschernousenko nutzt ihn in seinem 1992 in Deutschland erschienenen Buch ebenfalls.
Es tauchten Krankheitsbilder auf wie Sehstörungen, Schilddrüsenvergrößerung, Schilddrüsenunterfunktion, schwere nicht beherrschbare Infektionskrankheiten, Tuberkulose, Haut- und Schleimhautentzündungen, Allergien, Nasenbluten, Schwindel, rasche Ermüdbarkeit, Blutarmut, Leukämien, Hautkrebs, Schilddrüsenkrebs. Weiter treten Gelenkschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten, Entzündungen der Atemwege und Verminderung der Fortpflanzungsfähigkeit auf. Genaue Angaben über die Verbreitung der Leiden fehlen häufig, weil sie nicht systematisch erfaßt werden. Die Schwächung des Immunsystems bereitet weiterhin auch viralen Formen von B- und C-Hepatitis den Boden in strahlenbelasteten Regionen. Festgestellt wurde von Galina Bandaschewskaja, Leiterin der Herzabteilung in der Kinderklinik in Gomel, Anfang der 90er Jahre eine Häufung von schweren Herzrhythmusstörungen bei Kindern. Eine Auswertung des Klinikarchivs und weitergehende Recherchen ergaben, etwa eine Vervierfachung dieses Befundes war seit 1986 festzustellen. In Grodno, einer Stadt an der polnischen Grenze in Belarus, zählen diese Krankheitserscheinungen zur absoluten Ausnahme. In den Jahren nach dem sowjetischen Reaktorunfall von 1986 zeigte sich, daß Schilddrüsenkrebs bis zu 200-fach häufiger aufgetreten ist bei Kindern und Jugendlichen gegenüber dem Stand vor dem Unfall. Auch Erwachsene in Altersstufen erkranken sechsfach häufiger.
Die Häufigkeit von angeborenen Mißbildungen steigt kontinuierlich an. Zwar versucht man solche im Mutterleib zu erkennen und darauf zu reagieren. Dennoch kommen sie vor. Viele Föten sterben auch im Frühstadium der Schwangerschaft. So gehen die Geburtenzahlen zurück und viele Paare bleiben kinderlos. Die Mißbildungsraten liegen in stark kontaminierten Gegenden rund 83 Prozent über dem statistischen Mittel, in vermeidlich „sauberen Zonen“ um 24 Prozent darüber.
Auch viele Tiere sind von den Mißbildungen betroffen, besonders bei Augen und Extremitäten. So wurden drei Jahre nach der Kernschmelze im Reaktor im Bezirk Naroditschi 119 Ferkel und 37 Kälber mit Mißbildungen geboren. Es fehlen die Gliedmaßen, Augen, Rippen oder Ohren. Deformierte Schädel treten auf. Auf einem Hof wurde ein Fohlen mit acht Beinen geboren.
Wie schwer der Einschnitt der Reaktorkatastrophe ist, zeigt sich besonders kraß bei der durchschnittlichen Lebenserwartung der Männer in Belarus. Vor dem Unglück betrug sie 72 Jahre und sank inzwischen auf 55 Jahre ab. Hier spielt sicher mit hinein der fortgesetzte ökonomisch rasante Niedergang des Staates nach der Auflösung der Sowjetunion und der hohe Alkoholkonsum. Beide Faktoren sind aber wiederum auch mit gebunden an die Folgen des Unglücks. Überall ist die psychische Gesundheit vieler Menschen angegriffen, vermehrt treten Neurosen und ähnliche seelische Störungen auf.
Eine Mutter berichtet in ihrem Tagebuch über ihre Beobachtungen an einer Schule, wie sich die Kinder veränderten: Sie sind gegen alles gleichgültig, lassen sich nicht erfreuen oder begeistern. Sie gähnen, sind schläfrig, müde und reizbar. Ihnen fehlt der Appetit. Es fehlt der Schalk in ihren Augen, jetzt sind sie nur noch matt. Die Gesichtsfarbe der Kinder ist blaß, gelb und grau. Beim Fahnenappell verlieren Kinder mitunter nach 10 bis 20 Minuten das Bewußtsein. Geklagt wird über Augenschmerzen, Brennen und Kratzen im Hals, Trockenheit im Mund, Schwindelgefühle und quälende Schmerzen in Arm- und besonders den Beingelenken.
Vor Tschernobyl waren rund 85 Prozent der weißrussischen Kinder gesund. Inzwischen ist nur noch jedes zehnte Kind völlig gesund. Vor 1986 hatte die damalige Sowjetrepublik ein Bevölkerungswachstum, jetzt verringert sich in Belarus die Bevölkerung jährlich um 50.000 bis 70.000 Menschen. Wladimir M. Tschernousenko berichtet über seine Aufenthalte in den stark verstrahlten Regionen 1986, unter anderem Gomel und Mogiljow, immer wieder standen Krankenwagen auf den Schulgeländen. Kinder waren so schwach, daß sie mitten im Unterricht ohnmächtig wurden. Selbst leichteste Infektionen bereiteten große Schwierigkeiten, eine Erholung erfolgte nur langsam. Die Kinder litten u.a. auch an Mandel-entzündungen, Bronchitis und ungewöhnlich langwierigen Lungenentzündungen.
Im Gebiet Gomel, die Stadt selbst liegt etwa 130 Kilometer in nördlicher Richtung vom Reaktor entfernt, stieg bis 2000 der Nierenkrebs um das 5fache, bei Frauen um das 3,7fache. Für Mastdarmkrebs liegen die Werte für Männer bei einer Steigerung um das 2,1fache, für Frauen um das 1,5fache. Bei Schildrüsenkrebs steigerten sich die Erkrankungen für Männer um das 5fache, für Frauen um das 10fache. Eine weitere Folge des Atomunglücks ist die Zunahme von Jugenddiabetes. Im Gebiet Gomel ist eine Verdreifachung dieser Befunde gegenüber vor 1986 zu verzeichnen. In kontaminierten Gebieten nahmen nach dem Unglück die Krebserkrankungen des Mundes zu. Viele hatten gegessen, was sie angebaut hatten, aber alles war verstrahlt.
Radioaktive Strahlung kann selbst in tödlicher Dosis nicht vom Menschen registriert werden. Bei niedriger Dosierung treten die Schäden erst nach vielen Jahren auf. Bestenfalls ein metallischer Geschmack im Mund weist auf extrem hohe Dosen hin. Selbst wenn man mit Stiefeln auf Reaktorauswurf tritt, so bemerkt man die Verbrennungen erst am nächsten Tag, erwähnt Tschernousenko in seinem Buch.
Jelena Burlakowa weist darauf hin, es gibt keine ungefährliche Dosis. Durch den Tschernobylunfall zeigt sich das ganz deutlich. Ursache ist, es gibt im Körper ein Reparatursystem, das ab etwa 300 Röntgen wirksam wird. Viele geschädigte Zellen werden ersetzt. Bei Dosen von 50 bis 100 Röntgen beginnt der Körper Zellgrenzschichten zu erneuern. Bis zu 90 Prozent der Schäden werden behoben. Jedoch bei niedrigeren Dosen funktionieren die körpereigenen Reparatursysteme nicht. So kommt es zu dem häufigem Befund in den verstrahlten Regionen, daß sich bei niedrigen Dosen bereits der Gesundheitszustand erheblich verschlechtert.
Im Exekutivkomitee von Mogiljow wurden die folgenden Berechnungen angestellt, weiß der belorussische Schriftsteller Wassil Jakowenko zu berichten: Man fand heraus, es würde zweieinhalbfach teurer, wenn man die Menschen in verstrahlten Gebieten beläßt und sie mit dem nötigsten versorgt, Sonderzulagen zahlt. Es ist nicht nur gesundheitlich zu raten, sie umzusiedeln, sondern auch ökonomisch geboten. Bezugszeitraum war die Halbwertzeit von Cäsium-137, also 28 Jahre. Bei einem schweren Reaktorunfall in Deutschland könnten sich ähnliche Relationen einstellen, trotz unterschiedlicher Wertmaßstäbe für die verschiedenen Dienstleistungen und Produkte. Also halb Deutschland umsiedeln, teils in eigene geringer belastete Gebiete, aber wohl auch ins Ausland. Zumindest ganze Bundesländer würden als Wohnstatt ausfallen. Wie prekär die Lage nach einem Unfall wird, zeigt der Fall Weißrußland ganz besonders. Auch nach der Jahrtausendwende leben auf verstrahlten Gebieten immer noch zwei Millionen Menschen, darunter 500.000 Kinder.
Eine besonders spannende Frage dürfte bei einem deutschen Reaktorunglück werden, wer denn eigentlich für die Aufräumarbeiten bei einem Super-GAU in Biblis, Krümmel oder Neckarwestheim zwangsweise rekrutiert werden wird. Da ist in der ersten Phase wichtig, daß nicht alles radioaktive Material den Reaktor verläßt, sondern von einem Sarkophag wenigstens notdürftig umschlossen wird. Wie weit sind weitere Aufräumarbeiten notwendig oder gefährden nur unzählige Menschenleben? Ist es nicht besser, diesen Teil Deutschlands dann aufzugeben und besser ins Exil nach Polen, Frankreich oder Italien zu gehen? Wer wird sich freiwillig für die Sünden von Atomindustrie und Regierung „verheizen“ lassen? Als deutsche Liquidatoren kann man eigentlich nur uninformierte Leute gewinnen. Oder wird man solche Aufträge an billige ausländische Arbeitskräfte vergeben? Alles sehr spannende Fragen, um noch mal zu zeigen, wie existentiell ein schwerer Unfall in einem deutschen Atomkraftwerk wäre und daß Deutschland in seiner bisherigen Form aufhören würde zu existieren. Gerade die gründliche Beweisaufnahme des Tschernobylunglücks kann helfen zu zeigen, die Einschnitte sind so gravierend, daß sie die freiheitlich demokratische Grundordnung unseres Landes existentiell in den materiellen Lebensbedingungen in Frage stellt.
Bei all den angeführten Zahlen und Fakten sollte man dahinter die wirklichen menschlichen Schicksale nicht vergessen, das Leiden, den ungeheuren Verlust an Lebensperspektive. Swetlana Alexijewitsch zeigt in ihrem Interviewband „Tschernobyl“, das ist wie eine immer andauernde Tragödie. Der Band könnte auch als Warnung dienen, worauf wir uns einstellen müssen, wenn es in einem deutschen AKW zu einem schweren Unfall kommt. Nicht umsonst heißt der Untertitel: „Eine Chronik der Zukunft“. All das ist Kernbestandteil der nach wie ungelösten Probleme des deutschen Atomausstiegs, der entsprechend den wirtschaftlichen Erwägungen der AKW-Betreiber ausgerichtet und aufgeschoben wurde.
Aus den Interviews, die die Autorin aufgezeichnet hat, geht hervor: Überall werden Familienangehörige krank oder es ist der Berichtende krank geworden. Besonders niederschmetternd sind die Interviews mit verschiedenen Kindern. So erzählt ein Junge, wie er den Erwachsenen abgelauscht hat, daß er eigentlich gar nicht auf der Welt sein sollte. Er wurde im Unglücksjahr geboren, die Mutter flüchtete aus dem Krankenhaus. Er ist das einzige Kind im Dorf aus diesem Jahr. Er berichtet darüber, wie das Elternhaus eingeebnet wurde. Der Vater hat es ihm berichtet. Eine fünf Meter tiefe Grube wurde ausgehoben, daß Haus abgesprüht von der Feuerwehr, damit kein radioaktiver Staub aufgewirbelt wird. Ein Kran hebt und drückt das Haus in die Grube. Viel Hausrat liegt herum dann. Ein Bagger schiebt alles in die Grube, darüber wird Sand und Lehm geschüttet und alles planiert. Haus für Haus – bis das Dorf verschwunden ist. Gerne, so der Junge, hätte er noch seine Briefmarkenalben u.a. mitgenommen. Das Buch kann eine hilfreiche Lektüre sein, um noch besser verstehen zu können, was uns bei einem deutschen Reaktorunfall erwartet, und warum ein Sofortausstieg aus der Atomenergie höchst geboten ist.

(aus meiner Diplomarbeit, Inhaltsverzeichnis auf der Anti-Atom-Seite)


 


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