Klimakommentar zum Film "The Day after Tomorrow"

Droht der Fieberplanet oder die Eiswüste?

Marko Ferst

Film ist unzweifelhaft Film und die mögliche Klimaentwicklung eine mit ziemlich vielen nach vorn offenen Enden. Dafür, daß es eine Büchse der Pandora wird, spricht viel. Das vorhandene Wissen über ökologische Degradationen auf dem Planeten reicht jedoch aus, um daraus ein realistisches Szenario aufzuzeichnen. Die Konsequenzen werden kaum angenehmer sein wie in der Hollywood-Produktion.
Aus der Klimageschichte weiß man, mehrfach ist es zu sehr schnellen Temperaturstürzen in Europa gekommen, zuletzt vor 11.000 Jahren. In der Eem-Warmzeit ereignete sich ein regelrechtes Klimaflattern. Die durchschnittliche Temperatur fiel in Europa innerhalb von 20 Jahren um 10 Grad. Kommt der Golfstrom, Europas Klimaheizung, durch tauendes Süßwasser von Grönland zum Erliegen, kann genau dies wieder eintreten. Der Klimawissenschaftler Stephan Rahmsdorf vermutet, frühestens in der zweiten Hälften des 21. Jahrhunderts kann das passieren. Untersuchenswert ist überdies der Hinweis Jose' Lutzenbergers, auch weitgehend abgeholzter Amazonasregenwald schwächt möglicherweise den Golfstrom.
Das Bundesumweltministerium geht davon aus, daß ein durchschnittlicher Temperaturanstieg um zwei Grad in diesem Jahrhundert nicht mehr abzuwenden ist. Bis fast 6 Grad Erhöhung hält der IPCC für maximal denkbar. Dummerweise lagern in den Ozeanen und Tundren gigantische Mengen an Methaneis. Einiges davon kann schon bei geringen Temperaturerhöhungen freigesetzt werden und so schrittweise einen Supertreibhauseffekt entfachen. Erhöhte Welttemperaturen sorgen für Schmelzwasser, daß den Golfstrom kappt, was für Europa Eiszeit bedeuten kann und global alles aus den bisherigen Klimaabläufen unkalkulierbar herausgebrochen wird.
Gerade erschienen ist vom Klimaexperten Prof. Mojib Latif das gut verständliche Buch "Hitzerekorde und Jahrhundertflut. Herausforderung Klimawandel". Das sei ausdrücklich als Lektüre empfohlen. Zu wenig geht er aber auf die Vernetzung der nichtlinearen Atmosphärenprozesse ein. Auch um mehr Zusammenschau der verschiedenen ökologischen Abbruchprozesse muß man sich verstärkt bemühen. In meinem eigenen Band "Wege zur ökologischen Zeitenwende" findet man ein Kapitel, wo genau diese Verzahnung wissenschaftsjournalistisch versucht ist. Mit den beiden Lektürequellen kann man besser verstehen, wo die Hollywood-Produktion ein mögliches Szenario aufzeigt und wo nur "Action" angesagt ist.

Literaturhinweise

 

erschienen in der "Frankfurter Rundschau" und der "tageszeitung"