Plädoyer für ein ökologisches Kultursystem

 

Marko Ferst (SprecherInnenrat der Ökologischen Plattform)

 

Rede auf der Ökologischen Konferenz "Für eine ökologisch-soziale Zeitenwende", 30.10.1999, Berlin

Der erforderliche ökologisch-soziale Strukturwandel wird umfassender und schwieriger sein als alle vorhergehenden Umwälzungen und Reformen in der Menschheitsgeschichte. Dabei könnten die ersten Schritte in wenigen Jahren getan sein. Ungefähr alle acht Minuten schickt uns die Sonne soviel Energie auf die Erde, wie wir rund um den Globus in einem Jahr verbrauchen. Würden wir sämtliche Energie, die wir nicht einsparen können, aus Sonnenstrahlen, Wasserkraft, Windkraft und zum Teil aus Biomasse gewinnen, hätten wir schon ein gutes Stück Zukunft gesichert. Eine solare Energiewende ist möglich, aber wir müssen auch die Materialströme, die wir in und durch unsere Industriegesellschaft pumpen, auf einen Bruchteil reduzieren. Der materielle Reichtum wird erdenweit gerechter zu verteilen sein, ganz besonders zwischen den armen und reichen Regionen der Welt. Unter dem Vorzeichen ökologischer Begrenzung brauchen wir nicht nur eine gerechte Republik, sondern eine gerechte Weltordnung und das heißt, die reichsten Stände auf der Erde müssen verzichten lernen zugunsten der ärmeren und ganz armen. Für große Teile der Weltbevölkerung wird eine ökologische Zeitenwende auch mit mehr oder weniger bescheidenem materiellen Zugewinn verbunden sein.
Mit einer Wettbewerbsökonomie, die auf permanentem Wachstum fußt, die einen Pol auf Kosten des anderen entwickelt, werden wir langfristig Schiffbruch erleiden. Das ökonomische System des Nimmersatt mit dem Geldvermehrungstrieb im Mittelpunkt droht den Menschen zum Amokläufer der Evolution auf der Erde zu machen. Insgesamt scheint unsere Zivilisation an dem Umstand zu kranken, daß ein Übermaß der Kräfte in den materiellen Aufbau gelenkt wird und dabei der innere Mensch, die spirituelle Sphäre auf der Strecke bleibt. Früher oder später müssen wir eine praktizierbare Alternative zu der heutigen expansiven Produktionsweise mit ihrer patriarchal-kapitalistischen Logik finden. Erforderlich ist der Aufbruch zu einem ökologischen Kultursystem. Eine lediglich auf dem parlamentarischem Parkett hoffähige Umweltkosmetik ist nur Teil des Problems, das wir überwinden müssen.
Jede Veränderung der Gesellschaft beginnt im Menschen, hat dort ihren Vorlauf. Die eigentliche Chance für eine ökologische Rettung erwächst aus dem geistigen Lebensniveau der Gesellschaften. Darin zeichnet sich der Grundriß für eine neue Entwicklungsrichtung ab. Die Krise der westlichen Kultur kann nicht nur von den äußeren Mächten her verstanden werden. Sie ist ebenso eine Krise der inneren Verfassung des Menschen. Die Kernfrage steht so: Wie kann die Gesellschaft mit all ihren Institutionen und Strukturen so gebaut sein, daß die Mög-lichkeit zum höheren Selbst im Menschen optimal gestützt wird? Wie vermag sich allmählich eine Ordnung herauszubilden, die auf Herz und Geist gebaut ist?
Die ökologische Zeitenwende sollte in einen kulturell-seelischen Wandel eingebettet sein. In einer zukunftsfähigen Ordnung müssen die Werte des "Seins" über denen des "Habens" stehen. Wir brauchen den Übergang vom fortschrittssüchtigen Wohlstandsstaat zur in sich ruhenden Wohl-Seins-Gesellschaft. Gesellschaftsstrukturelle und sozialpsychologische Veränderungen müssen gleichermaßen gewichtet werden. Wirklich ökologische Politik muß die menschliche Psyche als Ausgangspunkt ihres Handelns verorten.
Seit 1972 der Aufsehen erregende Bericht des Club of Rome zu den Grenzen des Wachstums erschien, sind nun bald drei Jahrzehnte vergangen, und wir sehen, es wurden kaum Konsequenzen für die globale Entwicklung gezogen. Manche Prognosen von damals mußten korrigiert werden, zugleich zeigte z.B. die völlig unerwartete Entdeckung des antarktischen Ozonlochs, wie gefährlich nichtlineare Prozesse ablaufen. Würde sich der Ozonfraß nicht regelmäßig über dem Eiskontinent ausbilden, sondern etwa über Europa, hätten wir längst einen ökologischen Notstand.
Alles läuft auf einen Zusammenstoß zwischen menschlicher Zivilisation und der Biosphäre hinaus. So formulieren es auch Donella und Dennis Meadow für ihren neuen Bericht, der im kommenden Jahr erscheinen soll und der mit dem Titel überschrieben sein könnte: "Wir haben euch gewarnt". Sie gehen davon aus, selbst wenn in den nächsten Jahren einschneidende Veränderungen vorgenommen würden, kämen diese bereits zu spät.
Wenn man an die grünmotivierten Texte der letzten Jahre innerhalb der PDS denkt, dann fällt auf, daß man sich mit den unmittelbaren Faktoren der ökologischen Zerstörung sehr ungern gründlicher befaßt hat. Man und frau ist immer gleich beim ökologischen Umbauen und beim tagespolitischen Kleingeld. Deshalb ein kurzer Exkurs zu den menschengemachten Gefährdungen der biosphärischen Gleichgewichte.
In den letzten 10000 Jahren nach dem Ende der Eiszeit erwies sich das Erdklima als ungewöhnlich stabil. Dieser Umstand ist in der jüngeren Geschichte unseres Planeten einmalig, wechselten doch zuvor Kälteeinbrüche und Wärmeperioden sehr häufig. Jetzt besteht offenbar die Gefahr, daß der Mensch selbst diesem relativ stabilen Zustand ein Ende setzen kann.
Mobjib Latif vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie geht davon aus, bis zum Ende des 21.Jahrhundert kann sich die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur auf drei Grad belaufen, jedoch würde auf den Kontinenten eine Steigerung von bis zu fünf Grad im Jahresmittel möglich. (inzwischen überholt: In einer neuen Studie des IPCC wird von einer maximalen Erhöhung der Durchschnittstemperatur von 5,8 Grad gesprochen )
Nebenbei bemerkt: Vier Grad unter der heutigen globalen Durchschnittstemperatur reichten aus, um ganz Nordeuropa unter einem dicken Eispanzer verschwinden zu lassen. Die Jahre 1998, 1997, 1995 waren die heißesten Jahre der letzten sechs Jahrhunderte auf der Nordhalbkugel der Erde. Nie stieg die Durchschnittstemperatur so an, wie in den vergangenen acht Jahren.
15 Millionen Tonnen Wolkenwasser zirkulieren um die Erde. Doch schon geringfügige Temperaturerhöhungen drücken diesen gigantischen Wasserkreislauf aus seinen bisherigen Abfolgen. Gerät die globale Wettermaschine in neue Zyklen, tauchen andere Luftströmungen auf, verwandeln sich fruchtbare Ländereien in Wüsten und andere Gebiete bekommen Wasser im Überfluß.
Die extrem starken El-Nino-Ereignisse 1982/83 und 1997/98 legen den Verdacht nahe, sie sind durch Menschenhand verstärkt. Die Klimaforscher rechnen auf Grund ihrer Modelle damit. Der Nachweis, ob dem so ist, wird vorläufig jedoch nicht zu erhalten sein. Zwischen April 97 und Juni 98 verursachte El Nino den Tod von 21700 Menschen und richtete Schäden in Höhe von rund 60 Milliarden Mark an.
Der Treibhauseffekt wird in jedem Falle verstärkt die Polarregionen der Erde erwärmen. Man rechnet mit acht bis zwölf Grad. Dort lagern aber unter dem Eis und am Meeresboden riesige Mengen an Methanhydraten, die schon bei einer geringen Temperaturerhöhung binnen weniger Jahre freigesetzt würden.
Auch im Permafrostboden finden sie sich. Methan besitzt eine bis zu 32-fache Wärmewirkung wie CO2 und bleibt ca. 17 Jahre in der Atmossphäre. Könnte von diesem Methaneis nur ein geringer Bruchteil in die Atmosphäre entweichen, so käme es zu einem Supertreibhauseffekt. Schritt für Schritt würde ein Prozeß in Gang gesetzt, bei dem das Klima durch die ständig wachsende Methanzufuhr völlig außer Kontrolle gerät und die Wärmekatastrophe im Selbstlauf über uns hereinbricht. Auch die radikalste Verminderung des Ausstoßes an klima-wirksamen Substanzen kommt dann absolut zu spät.
In der Nähe der Pole enthalten die Ozeane zehn bis hundertmal mehr Plankton als im tropischen Bereich. In den polaren Regionen ist es besonders gefährdet durch den rapiden Ozonschwund. Dieses Phytoplankton setzt etwa zwei Drittel des gesamten Kohlendioxids um, das die Pflanzen weltweit aufnehmen. Tötet die ultraviolette Strahlung nur etwas mehr als zehn Prozent dieser Einzeller ab, so würde sich das Tempo der globalen Erwärmung verdoppeln. Ungünstig zudem: Wird es wärmer, können die Ozeane weniger Kohlendioxid speichern. Da in den Ozeanen die fünfzigfache Menge an CO2 wie in der Atmosphäre enthalten ist, erlangt dieser Umstand enorme Bedeutung. Würden die Ozeane nur 2 Prozent weniger Kohlendioxid in sich aufnehmen, so reicht dies aus, um den Gehalt in der Atmosphäre auf das Doppelte zu steigern.
Uns können natürlich noch ganz andere Realitäten blühen: Unter anderem aus der Analyse der Eemwarmzeit vor etwa 125000 Jahren ergibt sich, das Klima könnte innerhalb kürzester Perioden anfangen, in verschiedene Extreme zu springen. Fällt die ozeanische Umwälzpumpe vor Island aus, da sich der Salzgehalt durch abschmelzende Eismassen verringert und dadurch die riesigen Wassermassen nicht mehr für Jahrtausende in den Ozeantiefen verschwinden, der Golfstrom immer schwächer wird, bekommen wir in Nordeuropa möglicherweise einen arktischen Kälteeinbruch. Andernorts geht die Erwärmung aber weiter. So werden wir regelmäßig Windgeschwindigkeiten bekommen, die alles, was auf der Erde steht und kreucht, wegrasieren. Sollten sich solche Trends weiter erhärten, wird der letzte Abschnitt der Menschheitsgeschichte zu einer finalen Geisterfahrt.
Diese knappen Beispiele markieren nur Teile der Todesspirale, in die wir hineinrasen. Sie sind nur die Spitzen. Das Waldsterben, das durch geschönte Schadensberichte heruntergespielt wird, gehört dazu. Mit 3000 m² pro Sekunde vernichten wir global den Wald, mit 1000 Tonnen pro Sekunde erodiert der Boden. Alle 90 Minuten ist im brasilianischen Regenwald ein Gebiet von der Größe Kölns abgerodet. Jährlich verwandeln sich 6 Millionen Hektar der Erde in wüstenähnliche Gebiete. Schätzungsweise 27000 Tier- und Pflanzenarten sterben jedes Jahr aus.
Mit zunehmendem Ozonschwund in der oberen Atmosphäre durch die FCKWs und einige Ersatzstoffe werden wir konfrontiert mit Hautkrebs, vermindertem Pflanzenwuchs, Augenkrankheiten, die zu Blindheit führen, und die Immunsysteme der Menschen und Tiere würden geschwächt. Ein Blick nach Australien zeigt, wie nah uns diese Szenarien streifen. Im Landesteil Queensland leiden 75 Prozent der über fünfundsechzigjähigen Einwohner an Hautkrebs, und Kindern wird per Gesetz vorgeschrieben, auf dem Schulweg große Sonnenhüte und Schals zu tragen.
Eine Politik der ökologischen Zeitenwende muß sich darauf einstellen, daß unsere ganze Lebens- und Produktionsweise auf den Prüfstand gehört, mitsamt der gesellschaftlichen Strukturen, die daran geknüpft sind. Wir haben uns offenkundig in einer Sackgasse verfangen und laufen auf eine menschheitsgeschichtliche Richtstatt zu.
Ursache und Wirkung sozialökologischer Destabilisierung liegen häufig viele Jahrzehnte auseinander. Lange Zeit kann man sich in der Annahme wähnen, alles laufe in geregelten Bahnen, bis sich die verschiedensten Konfliktpotentiale zu einem unlösbaren Knäuel verfilzen. Selbst wenn die Ursachen längst beseitigt sind, so läßt sich trotzdem das zerstörerische Potential nicht mehr abwenden.
Der Reichtum der Industriestaaten steht auf tönernen Füßen, der Wohlstand von drei, vier Generationen wird immer wahrscheinlicher mit Jahrhunderten Siechtum und Elend bezahlt werden. Gelingt es nicht, eine zukunftsfähige Alternative einzuschlagen, wird die ökologische Krise auf Dauer mehr Opfer fordern als die Nazibarbarei und der stalinsche GULAG zusammen. Wir müssen damit rechnen, daß schlicht und einfach ein, zwei oder mehr Milliarden Menschen "draufgehen" können. Die Staatengemeinschaft auf der Erde gerät immer tiefer in ei-nen Strudel politischer Dynamik, der totalitären Ökodiktaturen bis hin zu verheerenden tyrannischen Systemen den Weg ebnet.
Begriffen werden muß: Mit jedem Artikel, den ich im Geschäft kaufe - ob es sich dabei um Lebensmittel, Haushaltsgeräte, den Fernseher oder das neue Auto handelt, ist ziemlich gleichgültig - fördere ich etwa durch den darin geronnenen Verbrauch an Elektroenergie und Fahrkilometern die Treibhauskatastrophe und das Waldsterben. Allein die Posten Kraftwerke und Verkehr tragen mit über 50 Prozent zu den CO2-Emissionen in Deutschland bei. Dazu kommt die Summe aller sonstigen ökologischen Schattenlasten. Jedes industrietechnische Wirtschaften erzeugt am Ende seinen spezifischen Anteil an der universellen Krise zwischen den Ökosystemen und dem Menschen. Die Gesamtlast an Kilowatt pro Kopf bzw. pro Quadratkilometer Erdfläche und der Stoffumsatz ist in der Bilanz um mehrere Größenordnungen in den Industriestaaten zu hoch.
Die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" hält fest, in den reichen Ländern hätten wir bis 2050 90% des Treibhausgases CO2 zu reduzieren und ebenfalls um 90 % den Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen. Dabei wird davon ausgegangen, in Ländern, wo elementar soziales Elend herrscht, muß zumindest soviel Entwicklungsraum sein, dieses zu beseitigen, ohne das westliche Entwicklungsmodell jedoch nachzubauen. Berücksichtigt werden muß auch das starke Bevölkerungswachstum in vielen "Drittewelt"staaten.
Unterm Strich kommt man global gesehen auf eine Kohlendioxidreduktion von 50 %. Nun ist die spannende Frage, wird das ausreichen? Jeden Tag schicken wir um die 100 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre, und was davon bis in die oberen Luftschichten gelangt, bleibt dort ungefähr 100 Jahre klimawirksam. Wir packen also auf die bestehende Last jedes Jahr noch ein gigantisches Paket an Klimagasen drauf. Es ist wenig überzeugend, wenn wir nun in 50 Jahren erst nach und nach nur noch 50 Millionen Tonnen CO2 jeden Tag in die Luft blasen, daß dies uns ökologische Stabiltät garantieren könnte. Diese Sicht dürfte sich als sehr blauäugig herausstellen.
Bevor man also große Reden hält über nachhaltiges Wirtschaften und dergleichen mehr, sollte man sich zunächst sehr gründlich damit befassen, auf welchen Fundamenten all dies gegründet ist. Wenn wir genauer hinschauen, finden wir in unserem Wissen riesige weiße Flecken, so wir die Maße und Umgrenzungen eines ökologischen Lebensstiles ausloten wollen. Man kann quer durch die ökologischen Debatten schauen, auf die vielen Unwägbarkeiten wird nur recht sel-ten verwiesen und über die Konsequenzen, die das haben müßte, spricht man besser gar nicht.
Generell wird heutzutage Umweltschutz primär von den Interessen her definiert, die aus den sogenannten Errungenschaften unserer Überflußgesellschaften resultieren. Das muß zwangsläufig auf ein am Wunschdenken orientiertes Verständnis des irdischen Naturhaushalts hinauslaufen.
Auch die ökologischen Konzepte mit sehr konsequenten Ansprüchen, die heute in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit gehandelt werden, laufen darauf hinaus, immer an der Kliffkante zum Abgrund entlang zu balancieren, und es ist nur eine Frage der Zeit und ungünstiger Umstände, bis ein Fehltritt uns teuer zu stehen kommt.
Wenn es noch eine Chance für die Gattung Mensch geben soll, dann muß der ökologisch-kulturelle Wandel hier und heute Schritt für Schritt zum Zuge kommen. Jedes verlorene Jahrzehnt bedeutet unterm Strich, immer mehr Spielraum für politisches Handeln verschwindet, die materiellen Einschnitte müssen immer extremer ausfallen.
Spätestens wer sich die eröffnende Regierungserklärung von Gerhard Schröder angeschaut hat, von der praktischen Politik gar nicht zu reden, weiß, wieder sind weitere Jahre für eine ökologische Neugestaltung der Gesellschaft auf Eis gelegt. Der nächste Machtwechsel im Bund müßte in der SPD selbst stattfinden. Der SPD-Vordenker Hermann Scheer, den alternativen Nobelpreis hat er, wie ich glaube, sehr berechtigt bekommen, jedenfalls Hermann Scheer als Zukunftskanzler, das wäre das Mindeste, was sich die Sozialdemokratie 2002 leisten müßte.
Wir brauchen eine solare Energiewende, und wer über 3 oder 5 Prozent Anteil bei den erneuerbaren Trägern streitet, die da möglich seien in wer weiß wie vielen Jahren, hat nichts vom Ernst unserer Situation begriffen. Die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" meint, 2050 müßte weltweit alle Energie solar gewonnen werden. Wollte sich Deutschland als Wegbereiter dieser Zukunftstechnologie und als politisches Vorbild verstehen, müßte hierzulande dieses Ziel viel schneller erreicht werden, zumal es weltweit genügend Nachzügler geben wird. Aller Energieverbrauch, der nicht weggespart werden kann, wäre über dezentralen Solarstrom, Wind- und Wasserenergie sowie in begrenztem Maß über Holz und andere Biomasse zu decken.
Während sich die Solarthermie bei der Aufbereitung von Warmwasser bereits rechnet, ist man bei der Stromerzeugung mit Solarzellen noch nicht soweit. Mit Preisen ab 1,60 pro kWh ist die Photovoltaik unter den gegenwärtigen Wirtschaftsbedingungen nicht konkurrenzfähig. Um das zu ändern, müssen die hohen Produktionskosten abgebaut werden. Dies kann durch die Großserienfertigung, staatliche Subventionen und Forschungsgelder geschehen. Eine wirksame ökologische Steuerreform würde die veralteten Methoden zur Energieerzeugung deutlich verteuern und damit erneuerbare Energien verbilligen. Allein durch die Massenfertigung der Solarmodule könnte binnen weniger Jahre der Preis auf bis zu 10 Pfennige pro kWh auch unter den deutschen Klimabedingungen gesenkt werden, schreibt Franz Alt.
Das neue Solardächerprogramm der rot-grünen Regierung ist sicher ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber solange bis 2005 mit 70 Milliarden Mark der Kohleabbau gesponsert wird und die solare Zukunft nur mit einer knappen Milliarde , sind die Prioritäten jedoch noch eins zu 70 mal völlig falsch gesetzt. Einstweilen läßt etwa die brandenburger SPD Horno für die Kohle lieber abbaggern, spielt blinde Kuh im Klimaschutz. Ebenso zeigt sich beim Garzweilertagebau, die SPD hängt immer noch geradezu sklavisch an den Technologien von vorgestern.
Der "CDU"-Atommülltranport im März 1997 ins Wendland kostete etwa 167 Millionen Mark und einen erheblichen moralischen Verschleiß des Staates. Spätestens wenn die nächsten Atomfuhren durchs Land gepügelt werden sollen, dürfte Gerhard Schröder massiv daran erinnert werden, daß die Atomindustrie nicht der einzige Part ist, mit dem man zu reden hätte. Es könnte sein, die gut organisierte Antiatombewegung erzwingt durch ihre Kampagne "X-tausendmal quer", mit der sie landesweit Atomtransporte blockieren will, einen weitaus schnelleren Ausstieg. Bei der Gelegenheit würde es uns als PDS gut zu Gesicht stehen, wenn etwa in Lüchow-Dannenberg bei Gorleben oder anderswo unter den vielen Widerständigen mal nicht nur die Ökoaktiven der PDS beim nächsten Transport mit zugegen wären, sondern auch die Parteibasis. Picknick mit Gysi und Bisky auf den Gleisen ergäbe mit Sicherheit eine unmißverständliche fernsehgerechte Botschaft und nebenbei Chancen, im Westen über 1,5 Prozent zu kommen. Wenn schon der Umweltpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag Reinhard Loske meint, man könne sich 30 Jahre Zeit lassen mit dem Ausstieg, dann wird es Zeit, dem rot-grünen Schneckentempo Paroli zu bieten.
Der Atomausstieg ist selbst unter der hochgradig fragwürdigen Fortschrittsoption des Wirtschaftsstandortes Deutschland möglich, da hierzulande eine Kraftwerksleistung von mehr als 100000 Megawatt zur Verfügung steht, von der selbst an dem Tag des höchsten Verbrauchs in der Bundesrepublik nur 61000 Megawatt benötigt wurden. Auf die 19500 Megawatt Kapazität an Kernkraft können wir also gut und gerne verzichten und hätten immer noch eine riesige Reserve. Gewiß, auf die Gewinne der von den Energieunternehmen längst abgeschriebenen Atomkraftwerke müßte man verzichten.
Den hochradioaktiven Atommüll kann man nicht über Tausende von Generationen ohne Schaden verscharren. Eine ungefährliche Endlagerung wird es niemals geben, und schon gar nicht geeignet sind in sich arbeitende Salzstöcke, wie in Gorleben. Blieben von den Ägyptern die Pyramiden, so werden es bei uns die atomaren Altlasten sein.
Ein wichtiger Bereich der Energiewende ist die Verkehrswende. Mit einem drastischen Anstieg des weltweiten Bestands an Personenwagen von derzeit etwa 500 Millionen um mehr als das Vierfache auf 2,3 Milliarden bis zum Jahr 2030 rechnet das Heidelberger Umwelt- und Prognoseinstitut. In diesem Zeitraum werde der Autoverkehr rund 60 Milliarden Tonnen Erdöl verbrauchen, fast die Hälfte der derzeit bekannten Welterdölreserven.
Seit 1950 wurde das Netz der Bundesbahn um 17% reduziert, und gerade im Osten Deutschlands wird eine Strecke nach der anderen stillgelegt. Bahnfahren gerät immer mehr zum Luxusgut. Statt immer neue Autobahnen in die Landschaft zu setzten und bestehende zu verbreitern, wäre heute darüber nachzudenken, ob man nicht mit dem Rückbau der Betonpisten beginnen müßte. Man kann ja über rot-rotes Regieren denken, wie man will. Nur wenn unterm Strich herauskommt, die Ostseeautobahn wird gebaut, ohne Widerstand der PDS, dann muß man sich vorwerfen lassen, Zwänge hin und Zwänge her, den Pfad zu-kunftsfähiger Politik verlassen zu haben.
Der ökologische Umbau des Steuersystems markiert einen zentralen Meilenstein für die ökologische Zeitenwende. Er ist der Antrieb für die Effizienzrevolution. Produkte, für die viel Energie aufgewendet werden muß, bzw. für die viel Rohstoff verbraucht wird, sollen künftig mehr kosten. Im Gegenzug muß Arbeit billiger werden, allerdings nicht in dem Sinne, daß man zusätzliche Finanzgeschenke für die Industrie bereithält.
Künftig müssen Kilowatt und Rohstofftonnen arbeitslos werden und nicht die Menschen, weil sie zuviel kosten. Unser ganzes heutiges Steuersystem ist darauf ausgerichtet, systematisch Arbeitslosigkeit zu produzieren.
Unabhängig, ob bei der Lohnsteuer oder den Sozialbeiträgen entlastet wird, es sollte darauf hingewirkt werden, daß besonders stark bei wenig Verdienenden und im unteren Mittelfeld gesenkt wird und nicht nur ein gleichförmiger Abbau an Beiträgen vorgenommen. Gerade dort summieren sich die Belastungen durch die Ökosteuern besonders hoch im Verhältnis zum Einkommen. Ein Sozialausgleich muß beim BaföG, dem Arbeitslosengeld, der Arbeitslosenhilfe, der Rente und Sozialhilfe sowie beim Kindergeld eingerechnet werden. Dafür sollte die PDS sich stark machen. Bei den ersten Gehversuchen der rot-grünen Regierung, eine ökologische Steuerreform im Minimalformat einzuführen, zeigt sich, daß sie diesen Ausgleich unterschlägt. Daß die verschiedensten PDS-Stimmen die soziale Schieflage der Reform anprangern, ist gewiß zu unterstützen. Gleichermaßen muß aber in Zukunft kenntlich werden, die jetzigen Ökosteuern sind viel zu minimal, um ökologisches Umhandeln zu bewirken.
Ein immer größerer Anteil der Steuereinnahmen des Staates muß aus "grünen" Steuern kommen. In Dänemark beläuft sich ihr Anteil bereits auf 15 Prozent. Wollen wir zu einer ökologischen Zukunftsgesellschaft gelangen, werden mittelfristig 70 oder 80 Prozent der Steuereinnahmen auf die Naturvernutzung erhoben werden müssen.
Das Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel schätzte für 1995 die staatlichen Subventionen in der Bundesrepublik auf 298 Milliarden Mark. Fast alle Wirtschafts- und Forschungssubventionen wirken ökologisch kontraproduktiv. Aberwitzig wäre es, den Atomausstieg anzustreben und dennoch staatlich die Atomforschung gleich welcher Art zu subventionieren. Hier muß umgepolt werden, solche Gelder sind für den ökologischen Strukturwandel zu kanalisieren. Oder denken wir an die EU-Landwirtschaftssubventionen, die könnten künftig ausschließlich für ökologischen Landbau vergeben werden.
Wer Steuern erheben will für den ökologischen Umbau, ohne an anderer Stelle die Bürger und Bürgerinnen zu entlasten, begeht also geradezu einen doppelten Fehler. Einmal tastet man die fehlgeleiteten Subventionen nicht an, und zum anderen kann man nur eine ganz minimale Ökosteuer erheben, weil jede Erhöhung zu zusätzlichem Sozialabbau führt und gar nicht auszudenken, wenn plötzlich in Deutschland 15% mehr Steuerlast zu berappen wären, wollte man mit diesem Modell den dänischen Standart erreichen. So gibt es sowohl aus realpoli-tischer als auch ökovisionärer Sicht gute Gründe, PDS-Konzepte dieser Art schnellstens in der Schublade verschwinden zu lassen.
Eine andere Sache ist es, wenn man von den Einnahmen die Preise im öffentlichen Personenverkehr, also Bahn und Bus fördert. So bekämen die Bürger die Gelder über die billigere Fahrkarte ins eigene Portemonnaie zurück.
Man könnte z.B. der Bahn-AG sagen: Wir wollen in mehreren Schritten eine Halbierung des Preisniveaus erreichen. Dazu ist es notwendig, die Spirale der Preiserhöhungen zu stoppen, und die Bahn-AG müßte einen Eigenanteil leisten. Sie hätte z.B. vertraglich geregelt auf zwanzig Prozent des Fahrpreises zu verzichten, und der Staat legt noch mal dreißig Prozent aus der Ökosteuer dazu, wodurch die Verluste mit dem Fahrgastzugewinn mehr als ausgeglichen würden, insbesondere auch bei steigenden Benzinpreisen. Und man muß gewiß nicht bei einer Halbierung der Bahnpreise stehen bleiben. All das ist machbar: So reduzierte 1997 z.B. Dänemark die Kosten im öffentlichen Verkehr um 10 Prozent durch die Ökosteuer.
Werden ökologische Steuern so angelegt, daß immer mehr Steuern und Abgaben durch sie abgelöst werden, ein Herangehen, wie es ähnlich auch der brasilianische Umweltvordenker Jose´ Lutzenberger vorschlägt, dann wird dies auch ganz elementar eine zukunftsfähige Produktions- und Lebensweise fördern, gewiß Gebote und Verbote, neue gesetzliche Bestimmungen werden mit einem ökologischen Rechtsstaat einhergehen müssen.
Die globalisierte Wettbewerbswirtschaft gerät immer mehr zum Wundertäter turbokapitalistischer Ökonomie. Statt dieser sozial und ökologisch destabilisierenden Globalisierung bräuchten wir weitgehend regionale Wirtschaftskreisläufe. Wir müssen nicht Äpfel aus Neuseeland einführen oder Fahrzeuge aus Japan. Es kann nicht wünschenswert sein, wenn man Hemden zum Knöpfe annähen mal schnell von Deutschland nach Portugal fährt und wieder zurück. Allein ein Viertel der erwerbstätigen Lebenszeit muß heute aufgewandt werden, um unser raumausgreifendes Transportsystem zu unterhalten. Innerhalb dieser globalen Raubwirtschaft nutzen wir in Deutschland zwei- bis dreimal soviel Fläche, wie uns eigentlich zusteht. Allein in Brasilien beansprucht im Schnitt jeder Deutsche 24 m2 Fläche für Orangensaft.
Der globale Finanzmarkt ist eine Krake, die weltweit ihre Tentakeln an die wirtschaftlichen und sozialen Prozesse hängt. Nur ein bis zwei Prozent der dort abgewickelten Umsätze entsprechen dem realen internationalen Handel. Das Schwungrad Finanzmarkt wird angetrieben durch Spekulation, Absicherungsgeschäfte und Geldhandel. Die inzwischen verbesserten Vorschläge für eine Tobinsteuer sind sicherlich ein erster richtiger Schritt, um den überschießenden Geldhandel zu zähmen. Auf lange Sicht muß man aber darüber nachdenken, wie man dieses ganze Karussell geldvermehrender Superpotenz in Bahnen lenkt, die nicht die Basiskräfte der Natur ausbluten. In einer ökologischen Ordnung können wir uns keinen Magneten für legal geraubtes Geld halten. Ohnehin spricht es nicht für Solidität, wenn Experten verschiedener Richtung immer wieder begründet darauf aufmerksam machen, wie hochgestapelt das internationale Finanzgebaren ist und wie schnell dieses Kartenhaus zusammenbrechen könnte.
Wenn nun Joschka Fischer in seinem Buch "Für einen neuen Gesellschaftsvertrag" schreibt, man könne die Globalisierung nur begrenzt mitgestalten und beeinflussen, dann zeigt er damit, wie sehr sich die Politik zum Spielball des Finanzkapitals degradiert hat, und man kann zeigen, sie hat sehr viel dazu beigetragen, sich selbst zu entmachten. Grotesk ist es dann allerdings, wenn Fischer eine reguliert globalisierte Wettkampfökonomie zum Maß einer nachhaltigen Entwicklung erhebt. So kommen wir garantiert nicht aus dem Sog der Todesspirale hinaus. Niemand kann daran vorbei, die Dominanz regionaler Wirtschaftskreisläufe ist Voraussetzung für eine zukunftsfähige Perspektive. Ich hätte eigenlich vermutet, solche Einsichten wären bei den Bündnisgrünen bereits bekannt. Aber wer sogar die Bombardierung von Chemiewerken in Regierungsverantwortung toleriert, der kann nicht länger für sich reklamieren, eine verant-wortungsbewußte Ökopartei zu sein, ganz zu schweigen von der Doppelbödigkeit des neuen grünen Menschenrechtsverständnisses. Für Joschka Fischer scheint das eigene Machtstreben ohnehin wichtiger zu sein als ökologische Verantwortung.
Global gesehen gehört zu den sozialökologisch gefährlichsten Entwicklungen die Liberalisierung der Agrarmärkte. Mit ihr schlittern wir in das größte weltweite Bauernsterben der Menschheitsgeschichte. Noch leben etwa drei Milliarden Menschen auf der Erde in traditionellen Subsistenzstrukturen. Setzt sich die Freihandelsideologie in der Landwirtschaft durch, wird mindestens eine Milliarde davon entwurzelt werden.
Ein Beispiel: Mitte der achtziger Jahre versorgte sich Kenia noch selbst mit Nahrungsmitteln. Bezuschußtes Getreide aus Europa und den USA änderte dies. 1992 wurde der EU-Weizen in Kenia 39% unter dem Verkaufspreis angeboten, den die EU-Bauern erhielten, und ein Jahr später sackte er auf unter 50%. Damit lag der nach Kenia importierte Weizen ein Drittel unter dem Weltmarktpreis. Mais aus den USA wurde für 77% unter den amerikanischen Produktionskosten verkauft. Die Auflagen des Internationalen Währungsfonds, seine Strukturanpassungsprogramme machten die Importe möglich. Kenia wurde dazu gezwungen, sie zuzulassen. Da die Preise jetzt durch die Importware bestimmt werden, können die kenianischen Bauern nicht mehr die eigenen Produktionskosten erwirtschaften, das Einkommen sank im Schnitt auf etwa 220 Dollar im Jahr.
Die fortwährende Zerstörung der Selbstversorgung in der Landwirtschaft ist ein Schlüsselproblem in den "Drittewelt"ländern. Um die Schulden zurück zu zahlen, werden Kaffee, Kakao, Erdnüsse, Baumwolle, Bananen, Orangen und andere Pflanzungen für den Export angebaut, währenddessen die eigene Bevölkerung hungert. Mexiko verfüttert z.B. knapp ein Drittel seines Getreides an das Vieh, etwa für Hamburgerfleisch zum Verzehr in den USA, und mehr als ein Fünftel der eigenen Bevölkerung ist unterernährt.
Es ist ganz zweifellos so, wenn jeder Europäer an einem Tag soviel Energie verbraucht wie ein Inder an 150 Tagen , dann ist der ökologische Fußabdruck hierzulande je Einwohner um ein Vielfaches größer, und man muß sich nicht wundern, wenn Kritik am hohen Bevölkerungswachstum im Süden von daher zurückgewiesen wird. Fakt ist aber auch, in den letzten 20 Jahren vermehrte sich die Weltbevölkerung um zwei Milliarden Menschen, und selbst wenn dieses exponentielle Wachstum sich abschwächt, so gibt es in wenigen Jahrzehnten 10 oder mehr Milliarden Menschen auf der Erde.
Diese Situation führt dazu, die pro Kopf zur Verfügung stehende Ackerfläche wird dramatisch sinken und zugleich droht bis 2050 mehr als 40% der Weltbevölkerung eine zunehmende Wasserknappheit, klimatische Veränderungen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Ums nasse Element werden sich Kriege entfesseln. Schon heute gibt es weltweit 25 Millionen Umweltflüchtlinge.
Eine wichtige Rolle spielt die Stärkung der Positionen von Frauen im globalen Maßstab. Zugang zu Bildung und gesundheitlicher Betreuung sind dabei wichtige Punkte. Die fehlende Rentenabsicherung und tradierte Einstellungen gehören zu den Ursachenaspekten der hohen Geburtenraten. Vor dem Hintergrund, daß nur 1% des globalen Eigentums Frauen gehört, ist klar, das durch und durch patriarchale Muster des heutigen Weltzustandes muß Schritt für Schritt entflochten werden. Die Bevölkerungsfrage ist eng mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen verknüpft. So kann etwa die chinesische Lösung kein Weg sein, wo bei der Ein-Kind-Politk dann Fälle herauskommen, wo im achten Monat Kinder durch eine Giftspritze in die Gebährmutter getötet werden.
Immer noch zählen vor allen Dingen die Wirtschaftskonjunktur, die Aktienkurse. Wichtig sind auch neue Arbeitsplätze, sichere Renten und vieles andere, wo es um die Konfliktlinien der innergesellschaftlichen Verteilungskämpfe geht. In der Regel ausgeblendet bleibt jedoch, daß der nimmersatte Expansionismus, der damit verbunden ist, sich nicht mit den globalökologischen Gleichgewichten verträgt.
Die Stärke der PDS-Politik besteht darin, soziale Solidarität zu vermitteln, die Gleichwertigkeit sozialer Ansprüche anzustreben. Das ist für eine ökologische Rettungspolitik ein sehr entscheidender Faktor, denn es ist ganz klar, wenn weniger zu verteilen ist, bekommt soziale Gerechtigkeit einen viel höheren Stellenwert. Heute verfügen 358 Milliardäre über soviel Geld wie 2,5 Milliarden übriger Erdenmenschen, also knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Das gleiche Bild ergibt sich beim Landbesitz. Weltweit gehören 75 Prozent des Landes, das unter Privatbesitz fällt, nur 2,5 Prozent der Landbesitzer. Ignoriert man diese Situation und versucht nicht, das extreme soziale Gefälle abzubauen, bringt das jede ökologische Neugestaltung der Gesellschaft schnell zum Absturz.
Die elementare Schwäche der PDS manifestiert sich darin, daß in ihrer Politik die kurzfristigen sozialen Interessen im nationalen Rahmen beständig Vorfahrt vor den langfristigen sozialen Interessen zukünftiger Generationen erhalten. Es ist richtig, umverteilen von oben nach unten bringt größeren Spielraum. Aber unsere ganze gesellschaftliche Entwicklung ist aufgehängt an permanentem Wirtschaftswachstum, und das gilt natürlich auch für unsere soziale Ausstattung. Zuweilen vergißt man zudem, wir gehören zu den reichsten Ständen dieser Welt und sind beteiligte Nutznießer an den Beutezügen, die die transnationalen Konzerne in den "Drittewelt"ländern unternehmen.
Noch immer scheint sich die PDS populistischen Wahlkampf antun zu müssen, um den Westen wenn schon nicht zu überholen, so doch wenigstens einzuholen. Ich erinnere an die entsprechende Unterschriftenkampagne, vom Parteivorstand beschlossen. Man stelle sich vor, China oder Indien würde die selbe nachholende Entwicklung für westdeutschen Standart einfordern. Dann ist der Ofen aus. Unter diesem Blickwinkel wird deutlich, was als Gerechtigkeit gedacht war, kann schnell in rassistisches Fahrwasser geraten, sich als Wohlstandschauvinismus entpuppen. Meine Unterschrift ist dafür nicht zu haben.
Es gibt in der PDS leider immer noch die Debatte, man müsse die Kaufkraft erhöhen. Dabei ist es doch ganz einfach zu begreifen. Wenn viele Gebrauchsgegenstände so produziert würden, daß sie viel länger halten als analoge heutige Produkte, dann hätte man auch mit stark reduzierter Kaufkraft keinen wirklichen Verlust. Allein bei Verzicht auf die energievergeudende Standby-Schaltung von Elektrogeräten könnten fast zwei Großkraftwerke hierzulande abgeschaltet werden, und man würde mit weniger Kaufkraft mehr Leistung erhalten.
Im aktuellen Papier der Programmkommission wird allen Ernstes gefragt, wie das Verhältnis von Wirtschaftswachstum und ökologischem Umbau zu erfassen und zu verändern ist. Noch immer ist offenbar nicht klar: Expansive wirtschaftliche Tätigkeit ist unvereinbar mit ökologischem Anspruch. Immerhin Eva Bulling-Schröter von der Bundestagsfraktion der PDS formuliert: "Bei einem Wachstumsfaktor von jährlich 2,5 Prozent müßte jede Einheit Sozialprodukt in 50 Jahren mit 17 mal weniger Klimaemissionen hergestellt werden."
Gewiß, Parteien operieren nicht im zwangfreien Raum, sie sind bei Wahlen Marketingbedingungen unterworfen. Sie müssen sich einen möglichst großen Anteil an Wählerstimmen einwerben. Der Hang der Parteien, gewiß in unterschiedlicher Wichtung, die Leute subaltern abzuholen, die materielle Selbstsucht und das kleinkarierte politische Tagesgeschäft zum Maß der Dinge zu machen, gehören zu den Schattenseiten der gegenwärtigen demokratischen Verkehrsformen. Die politische Sphäre scheint heute so verortet, daß sie die geistig-seelische Entwicklung der Gesellschaft, die Frage nach einer hohen, liebevollen Kultur außen vor läßt.
Für die PDS käme es darauf an, ernsthafte Verantwortung für eine ökoglobale Alternative permanent öffentlich zu signalisieren, von dorther mehr und mehr auch das tagespolitische Handeln abzuleiten und den parteipolitischen, allzu kurzsichtig veranlagten Klientelismus zurückzudrängen. Es gilt heute kenntlich zu machen, wir haben langfristig nicht die geringste Chance auf eine Rettung der menschlichen Gattung, wenn wir den heutigen Irrweg vom Höher, Weiter, Schneller nicht rigoros abbrechen und nach einem ökologischen Kultursystem suchen. Ich darf daran erinnern, gerade die Vordenker, die aus der SED kamen und von ihr drangsaliert wurden, insbesondere Robert Havemann und Rudolf Bahro, formulierten die ökovisonäre Perspektive mit besonderer Prägnanz, und wir hätten in der PDS guten Grund, nicht länger hinter ihrem Erkenntnishorizont zurückzubleiben. Sicher, die Zeit bleibt nicht stehen, und vieles muß auch kritisch hinterfragt werden, um Neuland zu gewinnen. Das ist ganz klar.
Heute ginge es in der PDS um eine radikale Reform für einen ökologischen Kurs. Unter dem bleibt die PDS im gesellschaftspsychologischen Gemenge ein blockierender Faktor und gehört zu der großen Koalition ewiggestriger Parteien mit totalitärer Potenz. Bislang sind es zu wenige, die umdenken. Solange etwa der PDS-rote Part bei Regierungen noch Flugzeugwerke in Mecklenburg-Vorpommern bauen will, Helmut Holter ist offenbar nicht bekannt, daß diese Gefährte extrem das Klima schädigen, ist im Grunde Null-Komma-Garnichts begriffen.
Wenn man denn schon mitregiert, dann sollte man sich wenigstens ökologische Vorzeigeprojekte leisten. Warum nicht von Grund auf ökologisch-alternative Wohnanlagen gezielt fördern. Wenn Kurt Biedenkopf hinbekommt, das Modell-projekt "Lebensgut Pommritz" als sozialökologisches Experiment massiv zu unterstützen, sollte es doch für die PDS nicht zu kompliziert sein, ähnliches als Möglichkeit zu etablieren, zumal Vorschläge zur Methodik aus der Ökologischen Plattform vorliegen.
Skandalös ist es, wenn die Stelle des ökologiepolitischen Sprechers der PDS per Rotstiftverfahren abgewickelt wird. Die Ökologische Plattform wird weiterhin darum kämpfen, daß diese Fehlentscheidung, für die die Mehrheit im Parteivorstand die Verantwortung trägt, revidiert wird und daß eine Person mit ausgewiesenem ökologischen Engagement dafür gewählt wird. Wir bezweifeln, wie Dietmar Bartsch uns dargelegt hat, daß es hinreicht, mal überspitzt formuliert, wenn sich ein Mitarbeiter im Parteivorstand irgendwann dann auch eine halbe Stunde mit Umweltschutz befaßt, und in den Parlamenten ist fast niemand auszumachen, der sich mit dem Quantensprung ökologischer Zukunftspolitik auseinandersetzt. Es sei am Rande nur mal erwähnt, die beiden größten Umweltverbände hierzulande, verfügen über ca. 300 bzw. 250 hauptamtliche MitarbeiterInnen und bei uns wird schon das Briefebeantworten zum Problem. Das müßte den Verantwortlichen langsam peinlich sein.
Bei einem ökologischen Reformkurs der PDS wird man sicherlich auf eine Doppelstrategie setzen müssen. Die politisch weitestgehenden ökologischen Konzeptionen gehören in der praktischen Parlamentsarbeit auf die Tagesordnung und dürfen nicht von schnellen Arbeitsplätzen und Investitionen, die am Ende in organisierte Verantwortungslosigkeit münden, verdrängt werden. Das muß im Außenbild der Partei medienwirksam offeriert werden und zwar auf eine Weise, die unter den jetzigen Bedingungen gesellschaftsfähig ist.
Die ökologische Dimension muß zur entscheidenden Drehscheibe sozialistischer Politik aufsteigen und in jedem Politikfeld die äußere Rahmenbedingung abstecken. Für den erforderlichen Paradigmenwechsel wäre gerade die bevorstehende Programmdiskussion bestens geeignet. Ich würde mir wünschen, die Bücher und Materialien, die zu ökologischer Umkehr auch mit Bezug auf die PDS erarbeitet worden sind, werden nicht länger links liegen gelassen.
Die zweite Seite der Doppelstrategie ist: Auch wenn kein Transrapid mehr gebaut wird, viele Wege wieder mit Bus und Bahn erledigt werden, Atomkraftwerke abgeschaltet sind, konsequent Müll vermieden wird, so liegt dies alles erst im Vorbereich ökologischer Politik.
Wenn künftig etwa mit einem Zehntel des heutigen Ressourcenaufwandes ausgekommen werden muß und mit einem Bruchteil des heutigen Energieverbrauchs, dann erfordert dies riesenhafte Strukturumbrüche, aber bei aller Ökoeffizienz auch einen beträchtlichen Rückbau industrieller Infrastruktur und das nicht nur im Bereich von Rüstung und Werbung. Je länger wir diese globale Revolution vor uns her schieben, desto sicherer ist es, daß wir zu einer Killergesellschaft mutieren und unsere Kinder und Kindeskinder ins offene Messer laufen lassen. Wir sind dabei, das politische Desaster von 1933 in einer völlig neuen Konfiguration zu übertreffen. Der Diktator ist überflüssig, und alle sind wir Mittäter in dieser Unrechtsordnung, und niemand kann sagen, er habe es nicht gewußt.
Wir werden uns der Ebene stellen müssen, wo Michael Succow, aber auch andere meinen, unsere Hochzivilisation sei zum Scheitern verurteilt, weil sie nicht mehr bescheiden genug sein kann und in ihrer letzten Phase noch ringsum alles zerstört, nach allem greift und es mit in den tödlichen Strudel zieht. Ich denke, wir tun gut daran, hier nicht die rosarote Brille aufzusetzen. Es hilft uns nicht weiter, den Konfliktstoff einfach zuzukitten, wie das Gregor Gysi in seinem Papier "Gerechtigkeit ist modern" unternommen hat. Dieser Ansatz wird ganz gewiß nicht ausreichen, um die Erde als Heimstatt zu erhalten.
Wir müssen wagen, die Konsequenzen politisch zu konzipieren, auch wenn das erst mal jeden parteipolitischen Rahmen zu sprengen droht. Gerade für die Rosa- Luxemburg-Stiftung sollte es eine vordringliche Aufgabe sein, hier eine produktive und kulturvolle Auseinandersetzung zu fördern, und insbesondere wäre es von herausgehobener Bedeutung, ökologische Zukunftsforschung aufzubauen.
Wir müssen hier und heute darüber nachdenken, wie eine ökologische Rettungspolitik aussehen kann, auch wenn dies heute noch nicht generell politikfähig ist.
Hätten die nachfolgenden Generationen die Chance, mit in den Parlamenten zu sitzen und die Geschicke zu lenken, wir würden uns wundern, welche durchgreifende Abspeckkur sie uns binnen kürzester Frist verordnen würden. Ernst Ullrich v. Weizsäcker, Jens Reich und Rudolf Bahro plädieren für einen ökologischen Rat, der politisch versucht, die Interessen aller zukünftigen Generationen zu wahren. Sie trauen dies den jetzigen Parteien nicht mehr zu. Wir müßten uns ein Ethik- und Ökoparlament als oberstes Staatsorgan, als rahmengebende Insti-tution über dem Bundestag, leisten. Bisher lenkt der Verteilungskampf um Besitzstände die gesellschaftliche Perspektive. Die langfristigen Orientierungen gehen im Parteiengerangel unter. Dieses ökologische Oberhaus müßte sich durch eine demokratische Personenwahl konstituieren unter Ausschluß der Parteien und würde für etwa sieben Jahre gewählt. Die Abgeordneten haben mit Hilfe einer umfassenden schriftlichen Arbeit ihre ökologische Kompetenz auszuweisen.
Unmittelbar müssen wir versuchen, mehr gestalterischen Freiraum für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft zu gewinnen, wir sollten Gegenmächte aufbauen, um einen totalitären Endzeitkapitalismus abzuwenden. Langfristig müssen wir uns aber auch über eine neue politökonomische Ordnung Gedanken machen, jenseits spätstalinistischer Hochstapelei und privatwirtschaftlichem Idealismus.
Mag sein, die Chancen für eine ökotopianische Zukunftsgesellschaft mit menschlichem Antlitz sind sehr gering. Die Trägheitskräfte wirken geschichtlich beispiellos, und die Aussicht, mit einer globalen Weltzerstörung zu enden, dürfte der wahrscheinlichste Entwicklungspfad sein, den die Menschheit nehmen wird.
Doch wäre es kontraproduktiv, in den Chor derer einzustimmen, die meinen, es macht keinen Sinn, sich zu engagieren, weil man und frau sowieso nichts ändern kann. Das nutzt nur den Ewiggestrigen aller Coleur. Es könnte sein, wir unterschätzen dann die eigene Kraft, die sich entfalten könnte, wenn Ökologen quer über die heutigen gesellschaftlichen Trennlinien hinweg zusammenarbeiten würden.

weitere Reden der Konferenz: www.oekologische-plattform.de