|
Plädoyer für
ein ökologisches Kultursystem
Marko Ferst (SprecherInnenrat der Ökologischen Plattform)
Rede auf der Ökologischen Konferenz "Für eine ökologisch-soziale
Zeitenwende", 30.10.1999, Berlin
Der erforderliche ökologisch-soziale Strukturwandel wird umfassender
und schwieriger sein als alle vorhergehenden Umwälzungen und Reformen
in der Menschheitsgeschichte. Dabei könnten die ersten Schritte in
wenigen Jahren getan sein. Ungefähr alle acht Minuten schickt uns
die Sonne soviel Energie auf die Erde, wie wir rund um den Globus in einem
Jahr verbrauchen. Würden wir sämtliche Energie, die wir nicht
einsparen können, aus Sonnenstrahlen, Wasserkraft, Windkraft und
zum Teil aus Biomasse gewinnen, hätten wir schon ein gutes Stück
Zukunft gesichert. Eine solare Energiewende ist möglich, aber wir
müssen auch die Materialströme, die wir in und durch unsere
Industriegesellschaft pumpen, auf einen Bruchteil reduzieren. Der materielle
Reichtum wird erdenweit gerechter zu verteilen sein, ganz besonders zwischen
den armen und reichen Regionen der Welt. Unter dem Vorzeichen ökologischer
Begrenzung brauchen wir nicht nur eine gerechte Republik, sondern eine
gerechte Weltordnung und das heißt, die reichsten Stände auf
der Erde müssen verzichten lernen zugunsten der ärmeren und
ganz armen. Für große Teile der Weltbevölkerung wird eine
ökologische Zeitenwende auch mit mehr oder weniger bescheidenem materiellen
Zugewinn verbunden sein.
Mit einer Wettbewerbsökonomie, die auf permanentem Wachstum fußt,
die einen Pol auf Kosten des anderen entwickelt, werden wir langfristig
Schiffbruch erleiden. Das ökonomische System des Nimmersatt mit dem
Geldvermehrungstrieb im Mittelpunkt droht den Menschen zum Amokläufer
der Evolution auf der Erde zu machen. Insgesamt scheint unsere Zivilisation
an dem Umstand zu kranken, daß ein Übermaß der Kräfte
in den materiellen Aufbau gelenkt wird und dabei der innere Mensch, die
spirituelle Sphäre auf der Strecke bleibt. Früher oder später
müssen wir eine praktizierbare Alternative zu der heutigen expansiven
Produktionsweise mit ihrer patriarchal-kapitalistischen Logik finden.
Erforderlich ist der Aufbruch zu einem ökologischen Kultursystem.
Eine lediglich auf dem parlamentarischem Parkett hoffähige Umweltkosmetik
ist nur Teil des Problems, das wir überwinden müssen.
Jede Veränderung der Gesellschaft beginnt im Menschen, hat dort ihren
Vorlauf. Die eigentliche Chance für eine ökologische Rettung
erwächst aus dem geistigen Lebensniveau der Gesellschaften. Darin
zeichnet sich der Grundriß für eine neue Entwicklungsrichtung
ab. Die Krise der westlichen Kultur kann nicht nur von den äußeren
Mächten her verstanden werden. Sie ist ebenso eine Krise der inneren
Verfassung des Menschen. Die Kernfrage steht so: Wie kann die Gesellschaft
mit all ihren Institutionen und Strukturen so gebaut sein, daß die
Mög-lichkeit zum höheren Selbst im Menschen optimal gestützt
wird? Wie vermag sich allmählich eine Ordnung herauszubilden, die
auf Herz und Geist gebaut ist?
Die ökologische Zeitenwende sollte in einen kulturell-seelischen
Wandel eingebettet sein. In einer zukunftsfähigen Ordnung müssen
die Werte des "Seins" über denen des "Habens"
stehen. Wir brauchen den Übergang vom fortschrittssüchtigen
Wohlstandsstaat zur in sich ruhenden Wohl-Seins-Gesellschaft. Gesellschaftsstrukturelle
und sozialpsychologische Veränderungen müssen gleichermaßen
gewichtet werden. Wirklich ökologische Politik muß die menschliche
Psyche als Ausgangspunkt ihres Handelns verorten.
Seit 1972 der Aufsehen erregende Bericht des Club of Rome zu den Grenzen
des Wachstums erschien, sind nun bald drei Jahrzehnte vergangen, und wir
sehen, es wurden kaum Konsequenzen für die globale Entwicklung gezogen.
Manche Prognosen von damals mußten korrigiert werden, zugleich zeigte
z.B. die völlig unerwartete Entdeckung des antarktischen Ozonlochs,
wie gefährlich nichtlineare Prozesse ablaufen. Würde sich der
Ozonfraß nicht regelmäßig über dem Eiskontinent
ausbilden, sondern etwa über Europa, hätten wir längst
einen ökologischen Notstand.
Alles läuft auf einen Zusammenstoß zwischen menschlicher Zivilisation
und der Biosphäre hinaus. So formulieren es auch Donella und Dennis
Meadow für ihren neuen Bericht, der im kommenden Jahr erscheinen
soll und der mit dem Titel überschrieben sein könnte: "Wir
haben euch gewarnt". Sie gehen davon aus, selbst wenn in den nächsten
Jahren einschneidende Veränderungen vorgenommen würden, kämen
diese bereits zu spät.
Wenn man an die grünmotivierten Texte der letzten Jahre innerhalb
der PDS denkt, dann fällt auf, daß man sich mit den unmittelbaren
Faktoren der ökologischen Zerstörung sehr ungern gründlicher
befaßt hat. Man und frau ist immer gleich beim ökologischen
Umbauen und beim tagespolitischen Kleingeld. Deshalb ein kurzer Exkurs
zu den menschengemachten Gefährdungen der biosphärischen Gleichgewichte.
In den letzten 10000 Jahren nach dem Ende der Eiszeit erwies sich das
Erdklima als ungewöhnlich stabil. Dieser Umstand ist in der jüngeren
Geschichte unseres Planeten einmalig, wechselten doch zuvor Kälteeinbrüche
und Wärmeperioden sehr häufig. Jetzt besteht offenbar die Gefahr,
daß der Mensch selbst diesem relativ stabilen Zustand ein Ende
setzen kann.
Mobjib Latif vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie geht
davon aus, bis zum Ende des 21.Jahrhundert kann sich die Erhöhung
der globalen Durchschnittstemperatur auf drei Grad belaufen, jedoch würde
auf den Kontinenten eine Steigerung von bis zu fünf Grad im Jahresmittel
möglich. (inzwischen überholt: In einer neuen Studie des IPCC
wird von einer maximalen Erhöhung der Durchschnittstemperatur von
5,8 Grad gesprochen )
Nebenbei bemerkt: Vier Grad unter der heutigen globalen Durchschnittstemperatur
reichten aus, um ganz Nordeuropa unter einem dicken Eispanzer verschwinden
zu lassen. Die Jahre 1998, 1997, 1995 waren die heißesten Jahre
der letzten sechs Jahrhunderte auf der Nordhalbkugel der Erde. Nie stieg
die Durchschnittstemperatur so an, wie in den vergangenen acht Jahren.
15 Millionen Tonnen Wolkenwasser zirkulieren um die Erde. Doch schon geringfügige
Temperaturerhöhungen drücken diesen gigantischen Wasserkreislauf
aus seinen bisherigen Abfolgen. Gerät die globale Wettermaschine
in neue Zyklen, tauchen andere Luftströmungen auf, verwandeln sich
fruchtbare Ländereien in Wüsten und andere Gebiete bekommen
Wasser im Überfluß.
Die extrem starken El-Nino-Ereignisse 1982/83 und 1997/98 legen den Verdacht
nahe, sie sind durch Menschenhand verstärkt. Die Klimaforscher rechnen
auf Grund ihrer Modelle damit. Der Nachweis, ob dem so ist, wird vorläufig
jedoch nicht zu erhalten sein. Zwischen April 97 und Juni 98 verursachte
El Nino den Tod von 21700 Menschen und richtete Schäden in Höhe
von rund 60 Milliarden Mark an.
Der Treibhauseffekt wird in jedem Falle verstärkt die Polarregionen
der Erde erwärmen. Man rechnet mit acht bis zwölf Grad. Dort
lagern aber unter dem Eis und am Meeresboden riesige Mengen an Methanhydraten,
die schon bei einer geringen Temperaturerhöhung binnen weniger Jahre
freigesetzt würden.
Auch im Permafrostboden finden sie sich. Methan besitzt eine bis zu 32-fache
Wärmewirkung wie CO2 und bleibt ca. 17 Jahre in der Atmossphäre.
Könnte von diesem Methaneis nur ein geringer Bruchteil in die Atmosphäre
entweichen, so käme es zu einem Supertreibhauseffekt. Schritt für
Schritt würde ein Prozeß in Gang gesetzt, bei dem das Klima
durch die ständig wachsende Methanzufuhr völlig außer
Kontrolle gerät und die Wärmekatastrophe im Selbstlauf über
uns hereinbricht. Auch die radikalste Verminderung des Ausstoßes
an klima-wirksamen Substanzen kommt dann absolut zu spät.
In der Nähe der Pole enthalten die Ozeane zehn bis hundertmal mehr
Plankton als im tropischen Bereich. In den polaren Regionen ist es besonders
gefährdet durch den rapiden Ozonschwund. Dieses Phytoplankton setzt
etwa zwei Drittel des gesamten Kohlendioxids um, das die Pflanzen weltweit
aufnehmen. Tötet die ultraviolette Strahlung nur etwas mehr als zehn
Prozent dieser Einzeller ab, so würde sich das Tempo der globalen
Erwärmung verdoppeln. Ungünstig zudem: Wird es wärmer,
können die Ozeane weniger Kohlendioxid speichern. Da in den Ozeanen
die fünfzigfache Menge an CO2 wie in der Atmosphäre enthalten
ist, erlangt dieser Umstand enorme Bedeutung. Würden die Ozeane nur
2 Prozent weniger Kohlendioxid in sich aufnehmen, so reicht dies aus,
um den Gehalt in der Atmosphäre auf das Doppelte zu steigern.
Uns können natürlich noch ganz andere Realitäten blühen:
Unter anderem aus der Analyse der Eemwarmzeit vor etwa 125000 Jahren ergibt
sich, das Klima könnte innerhalb kürzester Perioden anfangen,
in verschiedene Extreme zu springen. Fällt die ozeanische Umwälzpumpe
vor Island aus, da sich der Salzgehalt durch abschmelzende Eismassen
verringert und dadurch die riesigen Wassermassen nicht mehr für Jahrtausende
in den Ozeantiefen verschwinden, der Golfstrom immer schwächer wird,
bekommen wir in Nordeuropa möglicherweise einen arktischen Kälteeinbruch.
Andernorts geht die Erwärmung aber weiter. So werden wir regelmäßig
Windgeschwindigkeiten bekommen, die alles, was auf der Erde steht und
kreucht, wegrasieren. Sollten sich solche Trends weiter erhärten,
wird der letzte Abschnitt der Menschheitsgeschichte zu einer finalen Geisterfahrt.
Diese knappen Beispiele markieren nur Teile der Todesspirale, in die wir
hineinrasen. Sie sind nur die Spitzen. Das Waldsterben, das durch geschönte
Schadensberichte heruntergespielt wird, gehört dazu. Mit 3000 m²
pro Sekunde vernichten wir global den Wald, mit 1000 Tonnen pro Sekunde
erodiert der Boden. Alle 90 Minuten ist im brasilianischen Regenwald
ein Gebiet von der Größe Kölns abgerodet. Jährlich
verwandeln sich 6 Millionen Hektar der Erde in wüstenähnliche
Gebiete. Schätzungsweise 27000 Tier- und Pflanzenarten sterben jedes
Jahr aus.
Mit zunehmendem Ozonschwund in der oberen Atmosphäre durch die FCKWs
und einige Ersatzstoffe werden wir konfrontiert mit Hautkrebs, vermindertem
Pflanzenwuchs, Augenkrankheiten, die zu Blindheit führen, und die
Immunsysteme der Menschen und Tiere würden geschwächt. Ein
Blick nach Australien zeigt, wie nah uns diese Szenarien streifen. Im
Landesteil Queensland leiden 75 Prozent der über fünfundsechzigjähigen
Einwohner an Hautkrebs, und Kindern wird per Gesetz vorgeschrieben, auf
dem Schulweg große Sonnenhüte und Schals zu tragen.
Eine Politik der ökologischen Zeitenwende muß sich darauf einstellen,
daß unsere ganze Lebens- und Produktionsweise auf den Prüfstand
gehört, mitsamt der gesellschaftlichen Strukturen, die daran geknüpft
sind. Wir haben uns offenkundig in einer Sackgasse verfangen und laufen
auf eine menschheitsgeschichtliche Richtstatt zu.
Ursache und Wirkung sozialökologischer Destabilisierung liegen häufig
viele Jahrzehnte auseinander. Lange Zeit kann man sich in der Annahme
wähnen, alles laufe in geregelten Bahnen, bis sich die verschiedensten
Konfliktpotentiale zu einem unlösbaren Knäuel verfilzen. Selbst
wenn die Ursachen längst beseitigt sind, so läßt sich
trotzdem das zerstörerische Potential nicht mehr abwenden.
Der Reichtum der Industriestaaten steht auf tönernen Füßen,
der Wohlstand von drei, vier Generationen wird immer wahrscheinlicher
mit Jahrhunderten Siechtum und Elend bezahlt werden. Gelingt es nicht,
eine zukunftsfähige Alternative einzuschlagen, wird die ökologische
Krise auf Dauer mehr Opfer fordern als die Nazibarbarei und der stalinsche
GULAG zusammen. Wir müssen damit rechnen, daß schlicht und
einfach ein, zwei oder mehr Milliarden Menschen "draufgehen"
können. Die Staatengemeinschaft auf der Erde gerät immer tiefer
in ei-nen Strudel politischer Dynamik, der totalitären Ökodiktaturen
bis hin zu verheerenden tyrannischen Systemen den Weg ebnet.
Begriffen werden muß: Mit jedem Artikel, den ich im Geschäft
kaufe - ob es sich dabei um Lebensmittel, Haushaltsgeräte, den Fernseher
oder das neue Auto handelt, ist ziemlich gleichgültig - fördere
ich etwa durch den darin geronnenen Verbrauch an Elektroenergie und Fahrkilometern
die Treibhauskatastrophe und das Waldsterben. Allein die Posten Kraftwerke
und Verkehr tragen mit über 50 Prozent zu den CO2-Emissionen in Deutschland
bei. Dazu kommt die Summe aller sonstigen ökologischen Schattenlasten.
Jedes industrietechnische Wirtschaften erzeugt am Ende seinen spezifischen
Anteil an der universellen Krise zwischen den Ökosystemen und dem
Menschen. Die Gesamtlast an Kilowatt pro Kopf bzw. pro Quadratkilometer
Erdfläche und der Stoffumsatz ist in der Bilanz um mehrere Größenordnungen
in den Industriestaaten zu hoch.
Die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" hält fest,
in den reichen Ländern hätten wir bis 2050 90% des Treibhausgases
CO2 zu reduzieren und ebenfalls um 90 % den Verbrauch von nicht erneuerbaren
Ressourcen. Dabei wird davon ausgegangen, in Ländern, wo elementar
soziales Elend herrscht, muß zumindest soviel Entwicklungsraum sein,
dieses zu beseitigen, ohne das westliche Entwicklungsmodell jedoch nachzubauen.
Berücksichtigt werden muß auch das starke Bevölkerungswachstum
in vielen "Drittewelt"staaten.
Unterm Strich kommt man global gesehen auf eine Kohlendioxidreduktion
von 50 %. Nun ist die spannende Frage, wird das ausreichen? Jeden Tag
schicken wir um die 100 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre, und
was davon bis in die oberen Luftschichten gelangt, bleibt dort ungefähr
100 Jahre klimawirksam. Wir packen also auf die bestehende Last jedes
Jahr noch ein gigantisches Paket an Klimagasen drauf. Es ist wenig überzeugend,
wenn wir nun in 50 Jahren erst nach und nach nur noch 50 Millionen Tonnen
CO2 jeden Tag in die Luft blasen, daß dies uns ökologische
Stabiltät garantieren könnte. Diese Sicht dürfte sich als
sehr blauäugig herausstellen.
Bevor man also große Reden hält über nachhaltiges Wirtschaften
und dergleichen mehr, sollte man sich zunächst sehr gründlich
damit befassen, auf welchen Fundamenten all dies gegründet ist. Wenn
wir genauer hinschauen, finden wir in unserem Wissen riesige weiße
Flecken, so wir die Maße und Umgrenzungen eines ökologischen
Lebensstiles ausloten wollen. Man kann quer durch die ökologischen
Debatten schauen, auf die vielen Unwägbarkeiten wird nur recht sel-ten
verwiesen und über die Konsequenzen, die das haben müßte,
spricht man besser gar nicht.
Generell wird heutzutage Umweltschutz primär von den Interessen her
definiert, die aus den sogenannten Errungenschaften unserer Überflußgesellschaften
resultieren. Das muß zwangsläufig auf ein am Wunschdenken orientiertes
Verständnis des irdischen Naturhaushalts hinauslaufen.
Auch die ökologischen Konzepte mit sehr konsequenten Ansprüchen,
die heute in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit gehandelt werden,
laufen darauf hinaus, immer an der Kliffkante zum Abgrund entlang zu balancieren,
und es ist nur eine Frage der Zeit und ungünstiger Umstände,
bis ein Fehltritt uns teuer zu stehen kommt.
Wenn es noch eine Chance für die Gattung Mensch geben soll, dann
muß der ökologisch-kulturelle Wandel hier und heute Schritt
für Schritt zum Zuge kommen. Jedes verlorene Jahrzehnt bedeutet unterm
Strich, immer mehr Spielraum für politisches Handeln verschwindet,
die materiellen Einschnitte müssen immer extremer ausfallen.
Spätestens wer sich die eröffnende Regierungserklärung
von Gerhard Schröder angeschaut hat, von der praktischen Politik
gar nicht zu reden, weiß, wieder sind weitere Jahre für eine
ökologische Neugestaltung der Gesellschaft auf Eis gelegt. Der nächste
Machtwechsel im Bund müßte in der SPD selbst stattfinden. Der
SPD-Vordenker Hermann Scheer, den alternativen Nobelpreis hat er, wie
ich glaube, sehr berechtigt bekommen, jedenfalls Hermann Scheer als Zukunftskanzler,
das wäre das Mindeste, was sich die Sozialdemokratie 2002 leisten
müßte.
Wir brauchen eine solare Energiewende, und wer über 3 oder 5 Prozent
Anteil bei den erneuerbaren Trägern streitet, die da möglich
seien in wer weiß wie vielen Jahren, hat nichts vom Ernst unserer
Situation begriffen. Die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland"
meint, 2050 müßte weltweit alle Energie solar gewonnen werden.
Wollte sich Deutschland als Wegbereiter dieser Zukunftstechnologie und
als politisches Vorbild verstehen, müßte hierzulande dieses
Ziel viel schneller erreicht werden, zumal es weltweit genügend Nachzügler
geben wird. Aller Energieverbrauch, der nicht weggespart werden kann,
wäre über dezentralen Solarstrom, Wind- und Wasserenergie sowie
in begrenztem Maß über Holz und andere Biomasse zu decken.
Während sich die Solarthermie bei der Aufbereitung von Warmwasser
bereits rechnet, ist man bei der Stromerzeugung mit Solarzellen noch nicht
soweit. Mit Preisen ab 1,60 pro kWh ist die Photovoltaik unter den gegenwärtigen
Wirtschaftsbedingungen nicht konkurrenzfähig. Um das zu ändern,
müssen die hohen Produktionskosten abgebaut werden. Dies kann durch
die Großserienfertigung, staatliche Subventionen und Forschungsgelder
geschehen. Eine wirksame ökologische Steuerreform würde die
veralteten Methoden zur Energieerzeugung deutlich verteuern und damit
erneuerbare Energien verbilligen. Allein durch die Massenfertigung der
Solarmodule könnte binnen weniger Jahre der Preis auf bis zu 10 Pfennige
pro kWh auch unter den deutschen Klimabedingungen gesenkt werden, schreibt
Franz Alt.
Das neue Solardächerprogramm der rot-grünen Regierung ist sicher
ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber solange bis 2005 mit
70 Milliarden Mark der Kohleabbau gesponsert wird und die solare Zukunft
nur mit einer knappen Milliarde , sind die Prioritäten jedoch noch
eins zu 70 mal völlig falsch gesetzt. Einstweilen läßt
etwa die brandenburger SPD Horno für die Kohle lieber abbaggern,
spielt blinde Kuh im Klimaschutz. Ebenso zeigt sich beim Garzweilertagebau,
die SPD hängt immer noch geradezu sklavisch an den Technologien von
vorgestern.
Der "CDU"-Atommülltranport im März 1997 ins Wendland
kostete etwa 167 Millionen Mark und einen erheblichen moralischen Verschleiß
des Staates. Spätestens wenn die nächsten Atomfuhren durchs
Land gepügelt werden sollen, dürfte Gerhard Schröder massiv
daran erinnert werden, daß die Atomindustrie nicht der einzige Part
ist, mit dem man zu reden hätte. Es könnte sein, die gut organisierte
Antiatombewegung erzwingt durch ihre Kampagne "X-tausendmal quer",
mit der sie landesweit Atomtransporte blockieren will, einen weitaus schnelleren
Ausstieg. Bei der Gelegenheit würde es uns als PDS gut zu Gesicht
stehen, wenn etwa in Lüchow-Dannenberg bei Gorleben oder anderswo
unter den vielen Widerständigen mal nicht nur die Ökoaktiven
der PDS beim nächsten Transport mit zugegen wären, sondern auch
die Parteibasis. Picknick mit Gysi und Bisky auf den Gleisen ergäbe
mit Sicherheit eine unmißverständliche fernsehgerechte Botschaft
und nebenbei Chancen, im Westen über 1,5 Prozent zu kommen. Wenn
schon der Umweltpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag Reinhard
Loske meint, man könne sich 30 Jahre Zeit lassen mit dem Ausstieg,
dann wird es Zeit, dem rot-grünen Schneckentempo Paroli zu bieten.
Der Atomausstieg ist selbst unter der hochgradig fragwürdigen Fortschrittsoption
des Wirtschaftsstandortes Deutschland möglich, da hierzulande eine
Kraftwerksleistung von mehr als 100000 Megawatt zur Verfügung steht,
von der selbst an dem Tag des höchsten Verbrauchs in der Bundesrepublik
nur 61000 Megawatt benötigt wurden. Auf die 19500 Megawatt Kapazität
an Kernkraft können wir also gut und gerne verzichten und hätten
immer noch eine riesige Reserve. Gewiß, auf die Gewinne der von
den Energieunternehmen längst abgeschriebenen Atomkraftwerke müßte
man verzichten.
Den hochradioaktiven Atommüll kann man nicht über Tausende von
Generationen ohne Schaden verscharren. Eine ungefährliche Endlagerung
wird es niemals geben, und schon gar nicht geeignet sind in sich arbeitende
Salzstöcke, wie in Gorleben. Blieben von den Ägyptern die Pyramiden,
so werden es bei uns die atomaren Altlasten sein.
Ein wichtiger Bereich der Energiewende ist die Verkehrswende. Mit einem
drastischen Anstieg des weltweiten Bestands an Personenwagen von derzeit
etwa 500 Millionen um mehr als das Vierfache auf 2,3 Milliarden bis zum
Jahr 2030 rechnet das Heidelberger Umwelt- und Prognoseinstitut. In diesem
Zeitraum werde der Autoverkehr rund 60 Milliarden Tonnen Erdöl verbrauchen,
fast die Hälfte der derzeit bekannten Welterdölreserven.
Seit 1950 wurde das Netz der Bundesbahn um 17% reduziert, und gerade im
Osten Deutschlands wird eine Strecke nach der anderen stillgelegt. Bahnfahren
gerät immer mehr zum Luxusgut. Statt immer neue Autobahnen in die
Landschaft zu setzten und bestehende zu verbreitern, wäre heute
darüber nachzudenken, ob man nicht mit dem Rückbau der Betonpisten
beginnen müßte. Man kann ja über rot-rotes Regieren denken,
wie man will. Nur wenn unterm Strich herauskommt, die Ostseeautobahn
wird gebaut, ohne Widerstand der PDS, dann muß man sich vorwerfen
lassen, Zwänge hin und Zwänge her, den Pfad zu-kunftsfähiger
Politik verlassen zu haben.
Der ökologische Umbau des Steuersystems markiert einen zentralen
Meilenstein für die ökologische Zeitenwende. Er ist der Antrieb
für die Effizienzrevolution. Produkte, für die viel Energie
aufgewendet werden muß, bzw. für die viel Rohstoff verbraucht
wird, sollen künftig mehr kosten. Im Gegenzug muß Arbeit billiger
werden, allerdings nicht in dem Sinne, daß man zusätzliche
Finanzgeschenke für die Industrie bereithält.
Künftig müssen Kilowatt und Rohstofftonnen arbeitslos werden
und nicht die Menschen, weil sie zuviel kosten. Unser ganzes heutiges
Steuersystem ist darauf ausgerichtet, systematisch Arbeitslosigkeit zu
produzieren.
Unabhängig, ob bei der Lohnsteuer oder den Sozialbeiträgen entlastet
wird, es sollte darauf hingewirkt werden, daß besonders stark bei
wenig Verdienenden und im unteren Mittelfeld gesenkt wird und nicht nur
ein gleichförmiger Abbau an Beiträgen vorgenommen. Gerade dort
summieren sich die Belastungen durch die Ökosteuern besonders hoch
im Verhältnis zum Einkommen. Ein Sozialausgleich muß beim
BaföG, dem Arbeitslosengeld, der Arbeitslosenhilfe, der Rente und
Sozialhilfe sowie beim Kindergeld eingerechnet werden. Dafür sollte
die PDS sich stark machen. Bei den ersten Gehversuchen der rot-grünen
Regierung, eine ökologische Steuerreform im Minimalformat einzuführen,
zeigt sich, daß sie diesen Ausgleich unterschlägt. Daß
die verschiedensten PDS-Stimmen die soziale Schieflage der Reform anprangern,
ist gewiß zu unterstützen. Gleichermaßen muß aber
in Zukunft kenntlich werden, die jetzigen Ökosteuern sind viel zu
minimal, um ökologisches Umhandeln zu bewirken.
Ein immer größerer Anteil der Steuereinnahmen des Staates muß
aus "grünen" Steuern kommen. In Dänemark beläuft
sich ihr Anteil bereits auf 15 Prozent. Wollen wir zu einer ökologischen
Zukunftsgesellschaft gelangen, werden mittelfristig 70 oder 80 Prozent
der Steuereinnahmen auf die Naturvernutzung erhoben werden müssen.
Das Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel schätzte
für 1995 die staatlichen Subventionen in der Bundesrepublik auf 298
Milliarden Mark. Fast alle Wirtschafts- und Forschungssubventionen wirken
ökologisch kontraproduktiv. Aberwitzig wäre es, den Atomausstieg
anzustreben und dennoch staatlich die Atomforschung gleich welcher Art
zu subventionieren. Hier muß umgepolt werden, solche Gelder sind
für den ökologischen Strukturwandel zu kanalisieren. Oder denken
wir an die EU-Landwirtschaftssubventionen, die könnten künftig
ausschließlich für ökologischen Landbau vergeben werden.
Wer Steuern erheben will für den ökologischen Umbau, ohne an
anderer Stelle die Bürger und Bürgerinnen zu entlasten, begeht
also geradezu einen doppelten Fehler. Einmal tastet man die fehlgeleiteten
Subventionen nicht an, und zum anderen kann man nur eine ganz minimale
Ökosteuer erheben, weil jede Erhöhung zu zusätzlichem
Sozialabbau führt und gar nicht auszudenken, wenn plötzlich
in Deutschland 15% mehr Steuerlast zu berappen wären, wollte man
mit diesem Modell den dänischen Standart erreichen. So gibt es sowohl
aus realpoli-tischer als auch ökovisionärer Sicht gute Gründe,
PDS-Konzepte dieser Art schnellstens in der Schublade verschwinden zu
lassen.
Eine andere Sache ist es, wenn man von den Einnahmen die Preise im öffentlichen
Personenverkehr, also Bahn und Bus fördert. So bekämen die Bürger
die Gelder über die billigere Fahrkarte ins eigene Portemonnaie zurück.
Man könnte z.B. der Bahn-AG sagen: Wir wollen in mehreren Schritten
eine Halbierung des Preisniveaus erreichen. Dazu ist es notwendig, die
Spirale der Preiserhöhungen zu stoppen, und die Bahn-AG müßte
einen Eigenanteil leisten. Sie hätte z.B. vertraglich geregelt auf
zwanzig Prozent des Fahrpreises zu verzichten, und der Staat legt noch
mal dreißig Prozent aus der Ökosteuer dazu, wodurch die Verluste
mit dem Fahrgastzugewinn mehr als ausgeglichen würden, insbesondere
auch bei steigenden Benzinpreisen. Und man muß gewiß nicht
bei einer Halbierung der Bahnpreise stehen bleiben. All das ist machbar:
So reduzierte 1997 z.B. Dänemark die Kosten im öffentlichen
Verkehr um 10 Prozent durch die Ökosteuer.
Werden ökologische Steuern so angelegt, daß immer mehr Steuern
und Abgaben durch sie abgelöst werden, ein Herangehen, wie es ähnlich
auch der brasilianische Umweltvordenker Jose´ Lutzenberger vorschlägt,
dann wird dies auch ganz elementar eine zukunftsfähige Produktions-
und Lebensweise fördern, gewiß Gebote und Verbote, neue gesetzliche
Bestimmungen werden mit einem ökologischen Rechtsstaat einhergehen
müssen.
Die globalisierte Wettbewerbswirtschaft gerät immer mehr zum Wundertäter
turbokapitalistischer Ökonomie. Statt dieser sozial und ökologisch
destabilisierenden Globalisierung bräuchten wir weitgehend regionale
Wirtschaftskreisläufe. Wir müssen nicht Äpfel aus Neuseeland
einführen oder Fahrzeuge aus Japan. Es kann nicht wünschenswert
sein, wenn man Hemden zum Knöpfe annähen mal schnell von Deutschland
nach Portugal fährt und wieder zurück. Allein ein Viertel der
erwerbstätigen Lebenszeit muß heute aufgewandt werden, um unser
raumausgreifendes Transportsystem zu unterhalten. Innerhalb dieser globalen
Raubwirtschaft nutzen wir in Deutschland zwei- bis dreimal soviel Fläche,
wie uns eigentlich zusteht. Allein in Brasilien beansprucht im Schnitt
jeder Deutsche 24 m2 Fläche für Orangensaft.
Der globale Finanzmarkt ist eine Krake, die weltweit ihre Tentakeln an
die wirtschaftlichen und sozialen Prozesse hängt. Nur ein bis zwei
Prozent der dort abgewickelten Umsätze entsprechen dem realen internationalen
Handel. Das Schwungrad Finanzmarkt wird angetrieben durch Spekulation,
Absicherungsgeschäfte und Geldhandel. Die inzwischen verbesserten
Vorschläge für eine Tobinsteuer sind sicherlich ein erster
richtiger Schritt, um den überschießenden Geldhandel zu zähmen.
Auf lange Sicht muß man aber darüber nachdenken, wie man dieses
ganze Karussell geldvermehrender Superpotenz in Bahnen lenkt, die nicht
die Basiskräfte der Natur ausbluten. In einer ökologischen Ordnung
können wir uns keinen Magneten für legal geraubtes Geld halten.
Ohnehin spricht es nicht für Solidität, wenn Experten verschiedener
Richtung immer wieder begründet darauf aufmerksam machen, wie hochgestapelt
das internationale Finanzgebaren ist und wie schnell dieses Kartenhaus
zusammenbrechen könnte.
Wenn nun Joschka Fischer in seinem Buch "Für einen neuen Gesellschaftsvertrag"
schreibt, man könne die Globalisierung nur begrenzt mitgestalten
und beeinflussen, dann zeigt er damit, wie sehr sich die Politik zum
Spielball des Finanzkapitals degradiert hat, und man kann zeigen, sie
hat sehr viel dazu beigetragen, sich selbst zu entmachten. Grotesk ist
es dann allerdings, wenn Fischer eine reguliert globalisierte Wettkampfökonomie
zum Maß einer nachhaltigen Entwicklung erhebt. So kommen wir garantiert
nicht aus dem Sog der Todesspirale hinaus. Niemand kann daran vorbei,
die Dominanz regionaler Wirtschaftskreisläufe ist Voraussetzung
für eine zukunftsfähige Perspektive. Ich hätte eigenlich
vermutet, solche Einsichten wären bei den Bündnisgrünen
bereits bekannt. Aber wer sogar die Bombardierung von Chemiewerken in
Regierungsverantwortung toleriert, der kann nicht länger für
sich reklamieren, eine verant-wortungsbewußte Ökopartei zu
sein, ganz zu schweigen von der Doppelbödigkeit des neuen grünen
Menschenrechtsverständnisses. Für Joschka Fischer scheint das
eigene Machtstreben ohnehin wichtiger zu sein als ökologische Verantwortung.
Global gesehen gehört zu den sozialökologisch gefährlichsten
Entwicklungen die Liberalisierung der Agrarmärkte. Mit ihr schlittern
wir in das größte weltweite Bauernsterben der Menschheitsgeschichte.
Noch leben etwa drei Milliarden Menschen auf der Erde in traditionellen
Subsistenzstrukturen. Setzt sich die Freihandelsideologie in der Landwirtschaft
durch, wird mindestens eine Milliarde davon entwurzelt werden.
Ein Beispiel: Mitte der achtziger Jahre versorgte sich Kenia noch selbst
mit Nahrungsmitteln. Bezuschußtes Getreide aus Europa und den USA
änderte dies. 1992 wurde der EU-Weizen in Kenia 39% unter dem Verkaufspreis
angeboten, den die EU-Bauern erhielten, und ein Jahr später sackte
er auf unter 50%. Damit lag der nach Kenia importierte Weizen ein Drittel
unter dem Weltmarktpreis. Mais aus den USA wurde für 77% unter den
amerikanischen Produktionskosten verkauft. Die Auflagen des Internationalen
Währungsfonds, seine Strukturanpassungsprogramme machten die Importe
möglich. Kenia wurde dazu gezwungen, sie zuzulassen. Da die Preise
jetzt durch die Importware bestimmt werden, können die kenianischen
Bauern nicht mehr die eigenen Produktionskosten erwirtschaften, das Einkommen
sank im Schnitt auf etwa 220 Dollar im Jahr.
Die fortwährende Zerstörung der Selbstversorgung in der Landwirtschaft
ist ein Schlüsselproblem in den "Drittewelt"ländern.
Um die Schulden zurück zu zahlen, werden Kaffee, Kakao, Erdnüsse,
Baumwolle, Bananen, Orangen und andere Pflanzungen für den Export
angebaut, währenddessen die eigene Bevölkerung hungert. Mexiko
verfüttert z.B. knapp ein Drittel seines Getreides an das Vieh, etwa
für Hamburgerfleisch zum Verzehr in den USA, und mehr als ein Fünftel
der eigenen Bevölkerung ist unterernährt.
Es ist ganz zweifellos so, wenn jeder Europäer an einem Tag soviel
Energie verbraucht wie ein Inder an 150 Tagen , dann ist der ökologische
Fußabdruck hierzulande je Einwohner um ein Vielfaches größer,
und man muß sich nicht wundern, wenn Kritik am hohen Bevölkerungswachstum
im Süden von daher zurückgewiesen wird. Fakt ist aber auch,
in den letzten 20 Jahren vermehrte sich die Weltbevölkerung um zwei
Milliarden Menschen, und selbst wenn dieses exponentielle Wachstum sich
abschwächt, so gibt es in wenigen Jahrzehnten 10 oder mehr Milliarden
Menschen auf der Erde.
Diese Situation führt dazu, die pro Kopf zur Verfügung stehende
Ackerfläche wird dramatisch sinken und zugleich droht bis 2050 mehr
als 40% der Weltbevölkerung eine zunehmende Wasserknappheit, klimatische
Veränderungen sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Ums
nasse Element werden sich Kriege entfesseln. Schon heute gibt es weltweit
25 Millionen Umweltflüchtlinge.
Eine wichtige Rolle spielt die Stärkung der Positionen von Frauen
im globalen Maßstab. Zugang zu Bildung und gesundheitlicher Betreuung
sind dabei wichtige Punkte. Die fehlende Rentenabsicherung und tradierte
Einstellungen gehören zu den Ursachenaspekten der hohen Geburtenraten.
Vor dem Hintergrund, daß nur 1% des globalen Eigentums Frauen gehört,
ist klar, das durch und durch patriarchale Muster des heutigen Weltzustandes
muß Schritt für Schritt entflochten werden. Die Bevölkerungsfrage
ist eng mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen verknüpft. So kann
etwa die chinesische Lösung kein Weg sein, wo bei der Ein-Kind-Politk
dann Fälle herauskommen, wo im achten Monat Kinder durch eine Giftspritze
in die Gebährmutter getötet werden.
Immer noch zählen vor allen Dingen die Wirtschaftskonjunktur, die
Aktienkurse. Wichtig sind auch neue Arbeitsplätze, sichere Renten
und vieles andere, wo es um die Konfliktlinien der innergesellschaftlichen
Verteilungskämpfe geht. In der Regel ausgeblendet bleibt jedoch,
daß der nimmersatte Expansionismus, der damit verbunden ist, sich
nicht mit den globalökologischen Gleichgewichten verträgt.
Die Stärke der PDS-Politik besteht darin, soziale Solidarität
zu vermitteln, die Gleichwertigkeit sozialer Ansprüche anzustreben.
Das ist für eine ökologische Rettungspolitik ein sehr entscheidender
Faktor, denn es ist ganz klar, wenn weniger zu verteilen ist, bekommt
soziale Gerechtigkeit einen viel höheren Stellenwert. Heute verfügen
358 Milliardäre über soviel Geld wie 2,5 Milliarden übriger
Erdenmenschen, also knapp die Hälfte der Weltbevölkerung. Das
gleiche Bild ergibt sich beim Landbesitz. Weltweit gehören 75 Prozent
des Landes, das unter Privatbesitz fällt, nur 2,5 Prozent der Landbesitzer.
Ignoriert man diese Situation und versucht nicht, das extreme soziale
Gefälle abzubauen, bringt das jede ökologische Neugestaltung
der Gesellschaft schnell zum Absturz.
Die elementare Schwäche der PDS manifestiert sich darin, daß
in ihrer Politik die kurzfristigen sozialen Interessen im nationalen Rahmen
beständig Vorfahrt vor den langfristigen sozialen Interessen zukünftiger
Generationen erhalten. Es ist richtig, umverteilen von oben nach unten
bringt größeren Spielraum. Aber unsere ganze gesellschaftliche
Entwicklung ist aufgehängt an permanentem Wirtschaftswachstum, und
das gilt natürlich auch für unsere soziale Ausstattung. Zuweilen
vergißt man zudem, wir gehören zu den reichsten Ständen
dieser Welt und sind beteiligte Nutznießer an den Beutezügen,
die die transnationalen Konzerne in den "Drittewelt"ländern
unternehmen.
Noch immer scheint sich die PDS populistischen Wahlkampf antun zu müssen,
um den Westen wenn schon nicht zu überholen, so doch wenigstens einzuholen.
Ich erinnere an die entsprechende Unterschriftenkampagne, vom Parteivorstand
beschlossen. Man stelle sich vor, China oder Indien würde die selbe
nachholende Entwicklung für westdeutschen Standart einfordern. Dann
ist der Ofen aus. Unter diesem Blickwinkel wird deutlich, was als Gerechtigkeit
gedacht war, kann schnell in rassistisches Fahrwasser geraten, sich als
Wohlstandschauvinismus entpuppen. Meine Unterschrift ist dafür nicht
zu haben.
Es gibt in der PDS leider immer noch die Debatte, man müsse die Kaufkraft
erhöhen. Dabei ist es doch ganz einfach zu begreifen. Wenn viele
Gebrauchsgegenstände so produziert würden, daß sie viel
länger halten als analoge heutige Produkte, dann hätte man auch
mit stark reduzierter Kaufkraft keinen wirklichen Verlust. Allein bei
Verzicht auf die energievergeudende Standby-Schaltung von Elektrogeräten
könnten fast zwei Großkraftwerke hierzulande abgeschaltet werden,
und man würde mit weniger Kaufkraft mehr Leistung erhalten.
Im aktuellen Papier der Programmkommission wird allen Ernstes gefragt,
wie das Verhältnis von Wirtschaftswachstum und ökologischem
Umbau zu erfassen und zu verändern ist. Noch immer ist offenbar nicht
klar: Expansive wirtschaftliche Tätigkeit ist unvereinbar mit ökologischem
Anspruch. Immerhin Eva Bulling-Schröter von der Bundestagsfraktion
der PDS formuliert: "Bei einem Wachstumsfaktor von jährlich
2,5 Prozent müßte jede Einheit Sozialprodukt in 50 Jahren mit
17 mal weniger Klimaemissionen hergestellt werden."
Gewiß, Parteien operieren nicht im zwangfreien Raum, sie sind bei
Wahlen Marketingbedingungen unterworfen. Sie müssen sich einen möglichst
großen Anteil an Wählerstimmen einwerben. Der Hang der Parteien,
gewiß in unterschiedlicher Wichtung, die Leute subaltern abzuholen,
die materielle Selbstsucht und das kleinkarierte politische Tagesgeschäft
zum Maß der Dinge zu machen, gehören zu den Schattenseiten
der gegenwärtigen demokratischen Verkehrsformen. Die politische
Sphäre scheint heute so verortet, daß sie die geistig-seelische
Entwicklung der Gesellschaft, die Frage nach einer hohen, liebevollen
Kultur außen vor läßt.
Für die PDS käme es darauf an, ernsthafte Verantwortung für
eine ökoglobale Alternative permanent öffentlich zu signalisieren,
von dorther mehr und mehr auch das tagespolitische Handeln abzuleiten
und den parteipolitischen, allzu kurzsichtig veranlagten Klientelismus
zurückzudrängen. Es gilt heute kenntlich zu machen, wir haben
langfristig nicht die geringste Chance auf eine Rettung der menschlichen
Gattung, wenn wir den heutigen Irrweg vom Höher, Weiter, Schneller
nicht rigoros abbrechen und nach einem ökologischen Kultursystem
suchen. Ich darf daran erinnern, gerade die Vordenker, die aus der SED
kamen und von ihr drangsaliert wurden, insbesondere Robert Havemann und
Rudolf Bahro, formulierten die ökovisonäre Perspektive mit besonderer
Prägnanz, und wir hätten in der PDS guten Grund, nicht länger
hinter ihrem Erkenntnishorizont zurückzubleiben. Sicher, die Zeit
bleibt nicht stehen, und vieles muß auch kritisch hinterfragt werden,
um Neuland zu gewinnen. Das ist ganz klar.
Heute ginge es in der PDS um eine radikale Reform für einen ökologischen
Kurs. Unter dem bleibt die PDS im gesellschaftspsychologischen Gemenge
ein blockierender Faktor und gehört zu der großen Koalition
ewiggestriger Parteien mit totalitärer Potenz. Bislang sind es zu
wenige, die umdenken. Solange etwa der PDS-rote Part bei Regierungen noch
Flugzeugwerke in Mecklenburg-Vorpommern bauen will, Helmut Holter ist
offenbar nicht bekannt, daß diese Gefährte extrem das Klima
schädigen, ist im Grunde Null-Komma-Garnichts begriffen.
Wenn man denn schon mitregiert, dann sollte man sich wenigstens ökologische
Vorzeigeprojekte leisten. Warum nicht von Grund auf ökologisch-alternative
Wohnanlagen gezielt fördern. Wenn Kurt Biedenkopf hinbekommt, das
Modell-projekt "Lebensgut Pommritz" als sozialökologisches
Experiment massiv zu unterstützen, sollte es doch für die PDS
nicht zu kompliziert sein, ähnliches als Möglichkeit zu etablieren,
zumal Vorschläge zur Methodik aus der Ökologischen Plattform
vorliegen.
Skandalös ist es, wenn die Stelle des ökologiepolitischen Sprechers
der PDS per Rotstiftverfahren abgewickelt wird. Die Ökologische Plattform
wird weiterhin darum kämpfen, daß diese Fehlentscheidung, für
die die Mehrheit im Parteivorstand die Verantwortung trägt, revidiert
wird und daß eine Person mit ausgewiesenem ökologischen Engagement
dafür gewählt wird. Wir bezweifeln, wie Dietmar Bartsch uns
dargelegt hat, daß es hinreicht, mal überspitzt formuliert,
wenn sich ein Mitarbeiter im Parteivorstand irgendwann dann auch eine
halbe Stunde mit Umweltschutz befaßt, und in den Parlamenten ist
fast niemand auszumachen, der sich mit dem Quantensprung ökologischer
Zukunftspolitik auseinandersetzt. Es sei am Rande nur mal erwähnt,
die beiden größten Umweltverbände hierzulande, verfügen
über ca. 300 bzw. 250 hauptamtliche MitarbeiterInnen und bei uns
wird schon das Briefebeantworten zum Problem. Das müßte den
Verantwortlichen langsam peinlich sein.
Bei einem ökologischen Reformkurs der PDS wird man sicherlich auf
eine Doppelstrategie setzen müssen. Die politisch weitestgehenden
ökologischen Konzeptionen gehören in der praktischen Parlamentsarbeit
auf die Tagesordnung und dürfen nicht von schnellen Arbeitsplätzen
und Investitionen, die am Ende in organisierte Verantwortungslosigkeit
münden, verdrängt werden. Das muß im Außenbild der
Partei medienwirksam offeriert werden und zwar auf eine Weise, die unter
den jetzigen Bedingungen gesellschaftsfähig ist.
Die ökologische Dimension muß zur entscheidenden Drehscheibe
sozialistischer Politik aufsteigen und in jedem Politikfeld die äußere
Rahmenbedingung abstecken. Für den erforderlichen Paradigmenwechsel
wäre gerade die bevorstehende Programmdiskussion bestens geeignet.
Ich würde mir wünschen, die Bücher und Materialien, die
zu ökologischer Umkehr auch mit Bezug auf die PDS erarbeitet worden
sind, werden nicht länger links liegen gelassen.
Die zweite Seite der Doppelstrategie ist: Auch wenn kein Transrapid mehr
gebaut wird, viele Wege wieder mit Bus und Bahn erledigt werden, Atomkraftwerke
abgeschaltet sind, konsequent Müll vermieden wird, so liegt dies
alles erst im Vorbereich ökologischer Politik.
Wenn künftig etwa mit einem Zehntel des heutigen Ressourcenaufwandes
ausgekommen werden muß und mit einem Bruchteil des heutigen Energieverbrauchs,
dann erfordert dies riesenhafte Strukturumbrüche, aber bei aller
Ökoeffizienz auch einen beträchtlichen Rückbau industrieller
Infrastruktur und das nicht nur im Bereich von Rüstung und Werbung.
Je länger wir diese globale Revolution vor uns her schieben, desto
sicherer ist es, daß wir zu einer Killergesellschaft mutieren und
unsere Kinder und Kindeskinder ins offene Messer laufen lassen. Wir sind
dabei, das politische Desaster von 1933 in einer völlig neuen Konfiguration
zu übertreffen. Der Diktator ist überflüssig, und alle
sind wir Mittäter in dieser Unrechtsordnung, und niemand kann sagen,
er habe es nicht gewußt.
Wir werden uns der Ebene stellen müssen, wo Michael Succow, aber
auch andere meinen, unsere Hochzivilisation sei zum Scheitern verurteilt,
weil sie nicht mehr bescheiden genug sein kann und in ihrer letzten Phase
noch ringsum alles zerstört, nach allem greift und es mit in den
tödlichen Strudel zieht. Ich denke, wir tun gut daran, hier nicht
die rosarote Brille aufzusetzen. Es hilft uns nicht weiter, den Konfliktstoff
einfach zuzukitten, wie das Gregor Gysi in seinem Papier "Gerechtigkeit
ist modern" unternommen hat. Dieser Ansatz wird ganz gewiß
nicht ausreichen, um die Erde als Heimstatt zu erhalten.
Wir müssen wagen, die Konsequenzen politisch zu konzipieren, auch
wenn das erst mal jeden parteipolitischen Rahmen zu sprengen droht. Gerade
für die Rosa- Luxemburg-Stiftung sollte es eine vordringliche Aufgabe
sein, hier eine produktive und kulturvolle Auseinandersetzung zu fördern,
und insbesondere wäre es von herausgehobener Bedeutung, ökologische
Zukunftsforschung aufzubauen.
Wir müssen hier und heute darüber nachdenken, wie eine ökologische
Rettungspolitik aussehen kann, auch wenn dies heute noch nicht generell
politikfähig ist.
Hätten die nachfolgenden Generationen die Chance, mit in den Parlamenten
zu sitzen und die Geschicke zu lenken, wir würden uns wundern, welche
durchgreifende Abspeckkur sie uns binnen kürzester Frist verordnen
würden. Ernst Ullrich v. Weizsäcker, Jens Reich und Rudolf
Bahro plädieren für einen ökologischen Rat, der politisch
versucht, die Interessen aller zukünftigen Generationen zu wahren.
Sie trauen dies den jetzigen Parteien nicht mehr zu. Wir müßten
uns ein Ethik- und Ökoparlament als oberstes Staatsorgan, als rahmengebende
Insti-tution über dem Bundestag, leisten. Bisher lenkt der Verteilungskampf
um Besitzstände die gesellschaftliche Perspektive. Die langfristigen
Orientierungen gehen im Parteiengerangel unter. Dieses ökologische
Oberhaus müßte sich durch eine demokratische Personenwahl konstituieren
unter Ausschluß der Parteien und würde für etwa sieben
Jahre gewählt. Die Abgeordneten haben mit Hilfe einer umfassenden
schriftlichen Arbeit ihre ökologische Kompetenz auszuweisen.
Unmittelbar müssen wir versuchen, mehr gestalterischen Freiraum für
eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft zu gewinnen, wir sollten
Gegenmächte aufbauen, um einen totalitären Endzeitkapitalismus
abzuwenden. Langfristig müssen wir uns aber auch über eine neue
politökonomische Ordnung Gedanken machen, jenseits spätstalinistischer
Hochstapelei und privatwirtschaftlichem Idealismus.
Mag sein, die Chancen für eine ökotopianische Zukunftsgesellschaft
mit menschlichem Antlitz sind sehr gering. Die Trägheitskräfte
wirken geschichtlich beispiellos, und die Aussicht, mit einer globalen
Weltzerstörung zu enden, dürfte der wahrscheinlichste Entwicklungspfad
sein, den die Menschheit nehmen wird.
Doch wäre es kontraproduktiv, in den Chor derer einzustimmen, die
meinen, es macht keinen Sinn, sich zu engagieren, weil man und frau sowieso
nichts ändern kann. Das nutzt nur den Ewiggestrigen aller Coleur.
Es könnte sein, wir unterschätzen dann die eigene Kraft, die
sich entfalten könnte, wenn Ökologen quer über die heutigen
gesellschaftlichen Trennlinien hinweg zusammenarbeiten würden.
weitere Reden der Konferenz: www.oekologische-plattform.de
|
|