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PDS-Programm: Ökologische Kernkompetenz
ist erreichbar!
Über Mängel in den Umweltaussagen, "grüne"
Gentechnik und Parteidefizite
Marko Ferst
Zahlreiche Politikwissenschaftler weisen darauf hin, Parteiprogramme
sind weitgehend be-deutungslos für die Politik der jeweiligen Partei.
Hinzufügen muß man aber, wenn die Pro-grammaussagen zu jeweiligen
Politikfeldern deutlich qualitative Mängel aufweisen, besteht natürlich
die Gefahr, die reale Politik fällt noch viel schlechter aus. Diese
Sorge mußte man beim Entwurf des PDS-Programms im Februar für
den Umweltteil haben. Die Aussagen waren auf völlige Beliebigkeit
zusammengeschrumpft. Allerdings haben alternative Umweltfassungen, deutliche
Kritik aus verschiedenen Ecken der Ökologischen Plattform offenbar
das Schlimmste verhindert. In den jetzigen Text wurden zumindest vereinzelt
Vorschläge übernommen.
Jedoch sollte man klar sagen, die Umweltpassage im SPD-Programm ist über
weite Strecken nach wie vor besser als die jetzige PDS-Passage. Das Parteiprogramm
von Grünen/Bündnis 90 läßt sich überhaupt nicht
zu toppen. 25 Seiten programmatische Umweltaussagen, da muß man
einfach passen. Das wirft die spannende Frage auf, kann man auf anderthalb
Seiten soviel Kernaussagen konzentrieren, daß der qualitative Abstand
zum Programm der Grünen deutlich geringer wird? Das ist möglich!
Ein solcher Antrag wird auf dem Chemnitzer Parteitag zur Abstimmung stehen.
Überdies können die Delegierten auch einzelne Verbesserungen
bei den Umweltaussagen ihre Zustimmung zu geben. Sie sollten es dann allerdings
auch tun!
Im PDS-Programm von 1993 findet man im einleitenden Teil noch klare Aussagen
darüber, wie dramatisch der Verlust ökologischer Stabilität
global ausfallen kann, und daß dies ursächlich mit dem kapitalistischen
Industrialismus zu tun habe. Jetzt geht die ökologische Dimension
bei Zielen für einen Politikwandel und den Perspektiven völlig
unter, auch im Schlußteil völlige Fehlanzeige, die Sprechblasen
lassen wir mal beiseite.
Pikant sind die Aussagen zur Gentechnik im aktuellen Programm. Die müssen
bei "feucht-fröhlichem Gelage" entstanden sein. Die Idee
mit "grüner" Gentechnik den Hunger bekämpfen zu wollen,
ist aus den Hochglanzprospekten der Argarmultis abgeschrieben. Nicht etwa
Landreformen, die Aufgabe der Monokulturlandwirtschaft für Exportzwecke
oder die Ab-schaffung der hochsubventionierten Lebensmittelexporte aus
der USA und der EU etc., die vor Ort die Lebensmittelmärkte zerstören,
könnten die Ernährungssicherheit verbessern. Umweltsanierung
und ökologisches Bauen soll künftig mit gentechnischer Unterstützung
erfolgen. "Grüne", "rote" und "graue"
Gentechnik schmeißt man in einen Topf, will Chancen und Risiken
abwägen. Der ganze Absatz muß raus! Wenn man dazunimmt, daß
es in der parlamentarischen PDS-Umwelt AG von etlichen den Versuch gibt,
das "Nein" der PDS zur "grünen" Gentechnik in
ein "Ja" zu verwandeln, zeigt sich natürlich auch die wirkliche
Dimension, die dahinter steht. Gerade organisieren Attac und der BUND
gemeinsam Kampagnen gegen die flächendeckende Einführung von
gentechnisch manipulierten Saaten, mehr als 70% der Bevölkerung wollen
keine gentechnisch verunreinigten Lebensmittel. Just in dem Augenblick
will die PDS gegen Umweltverbände und Attac antreten. Das ist nur
eines von vielen Beispielen, wie sich die PDS durch opportunistisches
Agieren ihr eigenes Parteigrab ausschaufelt. Dabei weiß man, schon
die gewöhnliche Landwirtschaft gefährdet durch den Anbau ganz
weniger Arten, die künftige Ernährungssicherheit, tausende Obst-
und Gemüsearten starben in den vergangenen 100 Jahren aus. Der flächendeckende
Einsatz von Gensaaten wird diese Tendenz verstärken, zerstört
viele bäuerliche Existenzen und kann gerade im Zuge des inzwischen
unabwendbaren Klimawandels unkalkulierbare Risiken bergen.
Die Grenzen des Wachstums werden durch das Parteiprogramm der PDS auch
nach 30 Jahren "Club of Rome" nicht akzeptiert. Diese mangelnde
Einsicht zieht sich freilich durch alle Parteien und vermutlich wird
man später einmal die Kopplung der demokratischen Infrastruktur an
ein expansionistisches Wirtschaftsmodell als grundlegenden Systemfehler
erkennen. Immerhin übt sich die PDS darin umweltgerecht die Massenkaufkraft
zu steigern. Jeder kann wissen, daß dies eine Tautologie ist. 90
Prozent des Kohlendioxidausstoß bis 2050 in Deutschland zu reduzieren,
wie im Programm festgehalten, bleibt eine völlig unrealistische Größe,
wenn man das Wirtschaftsvolumen nicht drastisch zurücknimmt. Eine
Effizienzrevolution und eine vollständige solare Energiewende sind
jedoch wichtige Stützpfeiler für einen ökologischen Umbau,
nur wenn der industrielle Massendurchsatz weiterläuft, hilft uns
das nur bedingt weiter.
In der PDS gibt es eine sehr problematische Regelung, die von der Antragskommission
ange-wendet werden kann, wenn es zu viele Anträge gibt und die bereits
beim letzten Parteitag zum Einsatz kam. Das bewirkt, u.a. sämtliche
Umweltanträge wandern in den Papierkorb, wenn nicht 35 Delegierte
unterschreiben, daß der Antrag vom Parteitag abgestimmt werden soll.
Empfiehlt die Antragskommission trotz Unterschriften Ablehnung, folgen
die Delegierten fast immer diesem Votum. Im Klartext heißt das,
es ist sehr schwer Verbesserungen in den Umweltaussagen zu erreichen.
Die einzigste Chance ist, alle Beteiligten schenken der Sache mehr Aufmerksamkeit
und lassen den Dingen nicht ihren gewohnten Gang. Ein Heft bei dem alle
Entscheidungsmöglichkeiten für den Text des Programms übersichtlich
nebeneinander aufgeführt sind und abgestimmt werden, ist offenbar
zuviel verlangt und wäre erheblich zu demokratisch.
Wir können natürlich das bestmöglichste Parteiprogramm
beschließen, nur wird uns dies nicht weiterhelfen, wenn unser Politikstil
und die Inhalte unsere Wähler nur noch eingeschränkt ansprechen.
Parteistrategen wie Thomas Falkner, die ausschließlich PDS-Kernkompetenzen
thematisieren wollen, zu denen die langfristige Zukunftssicherung nicht
gehört, wohl aber mehr Fortschrittsgläubigkeit und die Abkehr
von "Minderheitenthemen", wie etwa "Umwelt", leisten
da keinen guten Dienst. Inzwischen zeichnet sich auch immer deutlicher
ab, wenn im Land Berlin bis 2006 die jetzige Politik fortgeführt
wird, spricht vieles dagegen, daß die PDS drei Direktmandate erringen
kann und sonstige Wahlerfolge. Damit läutet sich endgültig das
geschichtliche "Aus" für die PDS ein. In der Ökologischen
Plattform, aber auch anderswo, gibt es deshalb sehr viele Stimmen, die
angesichts der gravierenden Fehlleistungen, das Berliner rot-rote Experiment
beendet sehen wollen. Beabsichtigt man zudem 2006 ökologische Themen
beim nächsten Bundestagswahlkampf etwa gegen die Grünen profilieren
und da gäbe es nicht wenige Wählerstimmen zu holen, dann müßte
man die innerparteiliche Ressourcenlage gänzlich anders austarieren.
Neues Deutschland, 13.10.2003, (ungekürzte Langfassung)
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