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Ökologische
Zeitenwende steht an
Ehrenamtliche Arbeit in der Ökologischen Plattform kann
einiges bewirken
Marko Ferst
Ö kologische Politik wird in den nächsten Jahrzehnten immer
drängender ins Zentrum der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen
rücken und mit dem rasant fortschreitenden Klimawandel in fast alle
anderen Politikbereiche eindringen und sie transformieren. Damit eng
verschränken dürfte sich der Peak Oil und nachfolgend schnelle
Rückgange von Ölfördermengen bei gleichzeitig wachsendem
globalen Bedarf. Die sozialen Standards werden unter diesem Druck in
atemberaubenden Sprüngen erodieren. Eine vollständige solare
Energiewende und Mobilität, bei der öffentlicher Verkehr dominiert,
könnten dies abfedern, die wirtschaftlichen Schockwirkungen jedoch
nicht gänzlich aufhalten.
Die LINKE setzte mit der bundesweiten Klima- und Energiekonferenz in
Hamburg einen ersten Auftakt, der fortzuführen ist. Es muss künftighin
darum gehen in den umweltpolitischen Kompetenzen in vollem Umfang mit
Bündnis 90/die Grünen konkurrenzfähig zu werden. Zwei
umweltkompetente Parteien, die um die besten ökologischen Ansätze
ringen, wären ein erheblicher Gewinn für Deutschland, zumal
im Ostteil die Grünen parlamentarisch nur über geringen Einfluss
verfügen. Um ihren Anteil an den rund sechs Millionen umweltpolitisch
engagierten Menschen in Deutschland sollte die LINKE in Wahlkämpfen
ringen.
Anfang der 90er Jahre dachte man in der PDS noch darüber nach wie
Partei und Bewegung in ihr selbst produktiv aufeinander bezogen werden
könnten. Auch sie ist dem Prozess der Verparlamentarisierung, den
Paul Tiefenbach kenntnisreich in seinem Buch „Die Grünen.
Verstaatlichung einer Partei“ beschreibt, nicht entgangen und bezahlte
ihre Anpassungstendenzen an das etablierte Parteienkartell 2002 einstweilen
teuer mit dem Verlust der Bundestagsfraktion und anderen Wahleinbrüchen.
Man kann in der heutigen LINKEN diverse Politikstile in den Parlamenten
und Kommunen erkennen, die unterschiedliche Spielräume für ökologische
Anliegen bedeuten.
Die Ökologische Plattform bei der LINKEN, gegründet 1994 als
mehrheitlich durch ehrenamtliche Kräfte etablierte Struktur, gehört
zu den Bewegungselementen, über die die LINKE noch verfügt.
Die Vereinigung von Linkspartei und WASG stärkte unsere Basis und
es bleibt zu hoffen, dass sich in allen Ländern Schritt für
Schritt arbeitsfähige Landesorganisationen für den Umweltpart
bilden. Dabei sind in letzter Zeit deutliche Fortschritte zu verzeichnen.
Auf der parlamentarischen Ebene müssen die Abgeordneten tätig
werden und ihre Möglichkeiten ausloten und entsprechende Kontakte
zu Umweltverbänden und Initiativen suchen. Parlamentarier, Vertreter
der Ökoplattform und anderer AGs kommen in der BAG Umwelt, Energie
und Verkehr an einen Tisch. Dies erwies sich als produktiv und begünstigte,
dass eine grosse bundesweite Energiekonferenz möglich wurde, manche
Publikation oder andere Aktivitäten stattfanden, die es früher
nicht in dem Ausmass gab.
Die Ökologische Plattform bildet einen kulturellen Raum, ein Forum
des Dazulernens. Wir wollen immer mehr ein Podium der vielen Köpfe
mit unterschiedlichen Talenten und Kenntnissen werden. Schwachpunkte
wie beim Thema Naturschutz müssen abgebaut werden. Die Zeitschrift „Tarantel“ und
die „Beiträge zur Umweltpolitik“ zu Spezialthemen dokumentieren,
wieviel Substanz sich in unseren Reihen angesammelt hat. Die eigene
Webseite www.oekologische-plattform.de ermöglicht darüber hinaus
aktuelle und frühere Politikergebnisse nachzuvollziehen. Oft bereicherten
die Debatten auch Aktivisten aus den Umweltverbänden oder fachkundige
Referenten. Ehrenamtliche Arbeit setzt Grenzen, man muss sich auf das
Mögliche konzentrieren. Auch künftig sind Mitglieder aus Umweltverbänden
oder Einzelaktivisten bei uns gern gesehen, viele MitstreiterInnen ohne
Parteibuch arbeiten bei uns mit. Es dürfte eine sehr intelligente
Strategie sein in ökologiepolitischen Kernfragen, für die
Mehrheiten in der Partei noch fehlen, eng vernetzt mit Umweltverbänden
zu agieren.
Da der aktive und passive Kreis der Ökologischen Plattform im Bundesgebiet
auf rund 600 Leute in den letzten Jahren angewachsen ist, birgt das natürlich
neue Herausforderungen: Die organisatorische Arbeit muss schrittweise
auf die neuen Gegebenheiten eingerichtet werden, unterschiedliche Erfahrungen
sind auszubalancieren, Teamgeist wird immer wichtiger. Es liegt in der
Natur der Sache, das eine Ökologische Plattform gelegentlich grundlegendere
Forderungen aufstellt, als ein Umweltsprecher in einer Landtagsfraktion
durchsetzen kann, weil er nur einzelner ist gegenüber der Mehrheit
der Abgeordneten.
Die Plattform legte mehrere Arbeiten vor, jetzt auch die Bundestagsfraktion,
warum gentechnische Agrarprodukte nicht auf den Mittagstisch gehören.
80% der Menschen lehnen sie ab. Im Europawahlprogramm ist klar Stellung
gegen den Anbau bezogen worden. Einzelne Genossen unterstützen aber
nach wie vor diesen zweifelhaften Fortschritt. Gerade an Konfliktpunkten
dieser oder ähnlicher Art ist es wichtig, dass Umweltverbände öffentlich
Kritik üben - konkret benannt. Das unterstützt die Arbeit
der Ökologischen Plattform, gleichwohl es uns lieber ist, wenn ökologische
Politik ohne zusätzliche Debatte den Vorzug bekommt. Nicht hilfreich
sind Stellungnahmen, bei denen man sofort erkennt, diejenigen haben
sich überhaupt nicht auseinandersetzt mit den Positionen der LINKEN.
Als sich mit der Wende die SED/PDS mit den Ursachen des Scheiterns auseinandersetzten,
wurde nach Wegen gesucht, auf den verschiedensten Gebieten Ideen für
eine Erneuerung zu entwickeln. Mit den Plattformen und Arbeitsgemeinschaften
entstanden neue Formen politischer Betätigung. Sie wurden mit statuarischen
Rechten und Mandaten ausgestattet, damit die Meinung der Mitglieder nie
wieder unterdrückt und auch praktisch auf Parteitagen artikuliert
werden kann. Durch die neue Satzung der LINKEN sind mehrteilige hohe
Sperrklauseln eingeführt worden, die diesen Akzent teilweise wieder
zurücknehmen. Nicht nur Forderung der Ökologischen Plattform,
sondern auch anderer AGs ist, dass eine Gleichberechtigung von Basisorganisationen
und Arbeitsgemeinschaften bei der Mandatierung für Parteitage hergestellt
wird. Alle AGs müssen gemeinsam daran arbeiten, die Regeln in der
Satzung dahingehend zu verändern.
Tiefenbach zeigt auf, dass viele Arbeitsgemeinschaften bei den Grünen
mit zunehmender Eta-blierung der Partei marginalisiert wurden und ihre
Inhalte auf parlamentarische Passfähigkeit reduziert. Damit sinkt
die Attraktivität ehrenamtlichen Engagements. Auch Ökologische
Plattformen oder Umwelt-AGs in den Ländern müssen darauf achten,
sich eigenständig aufzustellen, die organisatorische und inhaltliche
Arbeit selbstverantwortlich in die Hände zu nehmen und nicht von
einem Abgeordneten alles gemacht zu bekommen. Nach dem Ende einer Wahlperiode
kann dieser völlig ausfallen und man muss von vorn beginnen.
Neues Deutschland,
30.11.2007
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