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Die Umweltpolitik der SPD-PDS-Koalition
in Mecklenburg-Vorpommern seit 1998
(Projektkursarbeit)
Marko Ferst
Inhalt
Vorbemerkung 3
I. Einleitung 6
II. Wahlprogramme, Koalitionsverträge und Regierungserklärung
7
III. Nach dem Regierungswechsel: eigenes Umweltministerium wird etabliert
und verän-derte Schwerpunkte 12
IV. Energiepolitik
1. Politik für eine solare Energiewende? 15
2. Windenergie 17
3. Solarenergie 18
4. Förderung der Kernfusionsforschung 19
V. Klimaschutz, Agenda 21 und Umweltbildung
1. Klimaschutz und Agenda 21 20
2. Umweltbildung 22
VI. Natur- und Landschaftsschutz
1. Naturschutz und die Ausweisung der FFH-Gebiete 23
2. Sölleprogramm und Seensanierung 25
3. Alleenschutz, Kormoranbestand u.a. 25
4. Moorschutzprogramm 27
5. Der Streit um eine Großkiesgrube auf Rügen 28
VII. Land- und Forstwirtschaft
1. Ökologischer Umbau der Landwirtschaft 30
2. Gentechnik in der Landwirtschaft 31
3. Schweinemastanlagen im Großformat 33
4. Nachwachsende Rohstoffe 34
5. Entwicklungen in der Forstwirtschaft und die Waldschäden 35
VIII. Verkehrs- und Wirtschaftspolitik
1. Autobahnbau zieht schwere Einschnitte in die Landschaftsökologie
nach sich 35
2. Die Rügenhochbrücke 37
3. Bahn und Flugverkehr 39
4. Umweltsicherheit im Seeverkehr auf der Ostsee 40
5. Abfallpolitik 42
6. Wirtschaft 43
IX. Abschluß
1. Abschließende "realpolitische" Bewertung 44
2. Ökologische Grundsatzfragen 46
Quellen 50
Vorbemerkung
Die vorliegende Universitätsarbeit ist eine Art Experiment. Es kann
keine rundum perfekte Analyse sein. Das Ziel war zu klären, wieviel
an substantiellen Aussagen läßt sich über die Landespolitik,
konkret im Bereich Umweltpolitik in Mecklenburg-Vorpommern in Erfahrung
bringen? Ausgangspunkt war die Frage von Umweltminister Wolfgang Mehtling
bei einer Veranstaltung, ob es nicht denkbar wäre, eine universitäre
Arbeit zu Mecklenburg-Vorpommern zu schreiben, noch sehr unspezifisch.
Hinzu kamen Indizien, unter anderem knappe Hinweise von Michael Succow
in Artikeln, daß unter Rot-Rot in Mecklenburg-Vorpommern einiges
Vernünftige in der Umweltpolitik geschehen sei. Es wäre uninteressant
gewesen, eine solche Arbeit zu schreiben, wenn von vornherein absehbar
gewesen wäre, die Ergebnisse sind mäßig. Zudem wurde ein
Universitätskurs in der Politikwissenschaft der FU Berlin angeboten,
in dem sich das Thema unterbringen ließ. Aus dieser Konstellation
heraus ist die vorliegende Arbeit entstanden. Es gibt zwei Fassungen.
Die Universitätsfassung ist kürzer, hier sind einige Aspekte
enthalten geblieben, die mir wichtig waren mitzubenennen, auch wenn sie
nicht ganz konform gehen mit den Idealformen politikwissenschaftlicher
Betrachtung. Die Arbeit hat die politischen Entwicklungen bis zum März
2003 verfolgt. Danach sammelte ich noch bis Juli 2003 systematisch Material,
in der Absicht, die Arbeit noch weiter zu vervollständigen, aber
auch einige inhaltliche Lücken zu schließen. Danach mußte
ich dies abbrechen, weil einfach die Zeitressourcen nicht mehr zur Verfügung
standen. Ein paar Aspekte seien hier in der Vorbemerkung noch erwähnt,
die in die Arbeit keinen Eingang mehr fanden.
Positiv zu vermerken ist das Engagement des Umweltministers gegen die
Inbetriebnahme des Bombodroms in der Kyritz-Ruppiner-Heide. Unter Umweltgesichtspunkten
für Mecklenburg-Vorpommern würde besonders der Müritz-Nationalpark
von den Flugbewegungen der Bomber beeinträchtigt werden. Dort nisten
viele seltene Vögel, wie zum Beispiel der Seeadler. Die Kraniche
benutzen dieses Gebiet als Rastplatz, andere seltene Tier sind zu finden.
Mecklenburg-Vorpommern erwägt auch rechtliche Schritte in Betracht
zu ziehen gegen das Bombodrom. Im Gegensatz zum Land Brandenburg, auf
dessen Gebiet das Gelände liegt, versucht Mecklenburg-Vorpommern
intensiv die Nutzung als Bombenabwurfplatz zu verhindern.
Wünschenswert wäre im übrigen, wenn das Engagement gegen
das völlig unsichere Endlager in Gorleben ähnlich demonstrativ
betrieben würde. Es liegt direkt an der Landesgrenze, und Kontaminationen
würden auch das Nachbarland betreffen. Deckschichten, die eigentlich
die Radioaktivität für mindestens 1 Million Jahre abhalten sollten,
sind teils nicht vorhanden, überdies existieren wasserführende
Schichten, die vom Endlager bis an die Oberfläche führen. Da
kann man sich als Umweltminister eigentlich nicht leisten in einem Interview
zu sagen, man weiß da nicht Bescheid. Es würde sich hier empfehlen
zu verdeutlichen, welche Sicherheitsprobleme gesehen werden und auch zu
überprüfen, ob rechtliche Schritte in diesem Kontext gegangen
werden können.
Die Aussagen zu den FFH-Gebieten in der vorliegenden Arbeit sind viel
zu positiv geraten. So wurde 1999 laut Schweriner Zeitung nur 4,7 Prozent
der Landesfläche nach Brüssel gemeldet, der bundesdeutsche
Durchschnitt liegt bei neun Prozent. Das Land gehört zu den Schlußlichtern
und nicht zu den Vorreitern, wie es noch im vorliegenden Text steht. Brüssel
beklagte Defizite bei 38 Lebensraumtypen und 22 Arten, die unzureichend
ausgewiesen worden seien. Bremse ist hier jedoch weniger das Umweltministerium.
Gleichwohl räumte Methling in einer Presseerklärung ein, zu
viele Zugeständnisse bei den FFH-Meldungen in der ersten Legislaturperiode
gemacht zu haben.
Mit Öffentlichkeitsbeteiligung, sie ist nicht zwingend vorgeschrieben,
sind die notwendigen Korrekturen im Laufe des Jahres 2003 begonnen worden.
Die Vorschläge des Ministeriums sehen Neumeldungen von fast 239.000
Hektar vor, darunter 130.000 Hektar Landfläche. Zusammen mit den
früheren Meldungen von 1998 und 1999 ergibt das zusammen 420.000
Hektar. Die angedrohten finanziellen EU-Sanktionen scheinen nachdrückliche
Wirkung auf die Regierung zu haben, gleichwohl es viel Widerstand aus
der Wirtschaft und der Gesellschaft gegen die Nachmeldungen gibt.
Ich erhielt im Frühjahr 2003 Hinweise darauf, daß es beim Wirtschafts-
und Arbeitsministerium sogenannte schwarze Listen gäbe, für
Gebiete, die aus wirtschaftlichen Gründen nicht ausgewiesen werden
sollen, obwohl FFH-Meldungen angezeigt wären. Jedoch dafür belastbare
Belege zu finden, ist sehr schwierig. Allerdings sind die unterschiedlichen
Darstellungen, wie ich sie im Text der Arbeit belassen habe, ein wichtiger
Hinweis darauf, daß es sie geben könnte. Überdies dürfte
es in diesem Punkt Erklärungsbedarf für das Umweltministerium
geben, warum die eigenen Darstellungen in der Vergangenheit zu FFH-Gebietsmeldungen
derart geschönt waren. Die Diskrepanz zwischen den obigen Daten und
den im FFH-Abschnitt der Arbeit aufgezeigten Daten macht das sehr offenkundig.
Deshalb habe ich das auch so belassen, damit sich der Leser da selbst
ein Bild machen kann. Die Quellen sind jeweils angegeben.
Hervorzuheben ist auch die Förderung der Region Lübow-Krassow.
Dort wollen sich acht Dorfgemeinden mit knapp 9500 Einwohnern zu 100 Prozent
regenerativ mit Energie versorgen. Die Region umfaßt 15.000 Hektar.
Der Energiemix soll auf Windenergie, Photovoltaik, Solarthermie und Biomassennutzung
basieren. Derzeit liegt der Energiebedarf der Region bei 84.000 Megawattstunden.
Wenn alle Projekte realisiert werden können, so würden bis
zu 1 Million Megawattstunden jährlich erzeugt werden. Das Umweltministerium
hofft, daß die Erfahrungen in der Region auch zu weiteren Initiativen
führen im Bundesland, die Region gewissermaßen als Modell zur
Verfügung steht.
Für das Solarzentrum Wietow wurden bereits 95.000 Euro in 2002 über
das Umweltministerium bzw. den Zukunftsfond vergeben. 2,7 Millionen Euro
Fördermittel flossen insgesamt bereits in die Sanierung und den
Ausbau des Gutshauses. Weitere Fördermittel sind beantragt für
den Bau eines solaren Gewerbezentrums. Das Solarzentrum wird von der Solarinitiative
Mecklenburg-Vorpommern und der Gemeinde Lübow getragen. Im Solarzentrum
soll Ausbildung und Qualifikation sowie Information und Beratung für
die regenerative Energienutzung vorgenommen werden. Auch angewandte solare
Forschung und Entwicklung ist angedacht.
Angemerkt sei noch, daß die Umweltallianz mit der Landwirtschaft
aufgelöst wurde. Wenig erbaulich war das Verhalten des Landwirtschaftsministeriums
in Bezug auf die Lege-hennenverordnung. Hier war das Land daran beteiligt
auf Bundesebene bereits beschlossene Standards auszuhöhlen. Genauer
gewußt für die Arbeit hätte ich ganz gerne, wie hoch der
Eigenanteil des Landes an Leistungen zu veranschlagen ist für die
gute Entwicklung im Bereich Windenergie. Wieviel ist durch die Bundespolitik
verantwortet, und was wurde durch optimale Bedingungen für den Aufbau
der Anlagen im Land befördert. Wie wurde Windkraft und Naturschutz
gegeneinander abgewogen? Nur an wenigen Punkten kann man Indizien bekommen.
Schwierig ist es zum Beispiel, die Daten zum Waldsterben mit politischen
Maßnahmen zu korrelieren. 1998, 2002 und 2003 waren sehr trockene
Jahre, was zu vermehrtem Absterben von Bäumen beitrug. Wie weit kann
man überhaupt Aussagen machen, über die Neuanlage von Waldflächen
hinaus, was in diesem Handlungsfeld geschieht, trotz klarer Gesamtzahlen
bei den Schäden? Soweit ein paar zusätzliche Punkte, die mir
ergänzend aufgefallen waren.
Die Einleitung der Arbeit entstand nur auf Wunsch der Dozenten. Ich hätte
das gänzlich eingespart, soweit sich aus den Koalitionsverträgen
und Programmen nicht Differenzen zur realen Politik aufzeigen lassen.
Da aber bei der Auswertung der Wahlprogramme und Koalitionsvereinbarungen
politische Zielvorstellungen hervortreten, die sonst nicht im Text vorkommen,
ließ ich den Abschnitt stehen. Überdies sind dort zwischendrin
auch ein paar Mängel und Eigenheiten von mir charakterisiert. Für
mich waren die realen umweltpolitischen Verbesserungen oder Verschlechterungen
der entscheidende Zugang. Natürlich ist die Datenlage oft nur unbefriedigend
gegeben. Die Vielfalt an Einzelaspekten, die dabei berücksichtigt
werden müssen bzw. mit einbezogen werden können, erschwert überdies
die Bewertungen. Es wird hier versucht, mehr die zahlreichen Faktoren
einzublenden, statt auf einige wenige Indikatoren den Blick zu beschränken.
Um Aspekte intensiver zu diskutieren, wie institutionelle Restriktionen,
Machtaspekte und fehlende Kapazitäten in der Politikumsetzung, wäre
ein viel besserer Einblick in die jeweiligen Institutionen notwendig
gewesen. Das war hier nicht zu leisten mit den zur Verfügung stehenden
Ressourcen. Vermutlich wäre es auch hilfreich gewesen, systematischer
bei den einzelnen umweltpolitischen Maßnahmen, soweit das vom Gegenstand
her möglich ist, den Stand in anderen Bundesländern zur Verfügung
zu haben, um so besser vergleichen zu können, in welchem Bereich
sich das Land bewegt. Bei allen Unzulänglichkeiten, die der Arbeit
auch anhängen mögen, gibt sie aber doch sehr viele Hinweise
darauf, welche Ergebnisse und Handlungsweisen in der Umweltpolitik in
Mecklenburg-Vorpommern real aufzufinden sind. Diese auf die Fakten hin
orientierte Darstellungsweise kommt mir zum Beispiel bei den beiden RLS-Studien
zur Gesamtpolitik in Mecklenburg-Vorpommern unter Rot-Rot viel zu kurz.
Sehr hilfreich war auch ein dreistündiges Gespräch mit dem Umweltminister
Wolfgang Methling, dem an dieser Stelle noch mal dafür gedankt sei.
Im Grunde genommen wäre es spannend, 2005 noch mal 3-4 Monate sich
an die Materialien heranzusetzen und zu versuchen, die Bilanz weiterzuentwickeln,
wie die Umweltpolitik sich über zwei Legislaturperioden entwickelt
hat. Vor allen Dingen, wenn man noch effektiver Quellen und Daten erschließen
könnte und manche Schwachstellen sich herausnehmen ließen,
wäre das eine interessante Dokumentation. Allein die Ressourcen dafür
dürften kaum vorhanden sein.
Im Abschlußkapitel habe ich mich auch bemüht, die Grenzen einer
solchen Materialaufbereitung aufzuzeigen. Unsere ganzen politischen Systeme
sind längst auf einer schiefen Ebene angelegt und werden in der heutigen
Form nicht dauerhaft aufrecht zu erhalten sein. Ich denke, man muß
auch die großen politischen Verwerfungen und Umbrüche immer
wieder in den Blick nehmen und darf nicht alles aus der beschränkten
politischen Mikroebene heraus betrachten. Datenzahlen wie 1933 oder 1989
weisen für die deutschen Verhältnisse auf gravierende Einschnitte
hin. Gerade die Tatsache, daß wir die gesamten Ökosysteme weit
über ihre Regenerierungsfähigkeit hinaus mit unserer Wirtschaftsweise
zerstören, wird im 21.Jahrhundert zu schwersten politischen Erschütterungen
führen. Dies kann selbst die beste Landesumweltpolitik in den heutigen
Konventionen nicht kaschieren.
Gewiß hat es seine unbedingte Berechtigung, daß man zum Beispiel
durch politische Vorsorge versucht, Ölunfälle in der Ostsee
zu verhindern etc.. Aber selbst der optimalste Naturschutz ist machtlos,
wenn klimabedingte Versteppungsprozesse ihr Werk beginnen werden. Insofern
hat es schon seine zwingende Berechtigung, wenn Carl Amery davon spricht,
wer sich mit Öko-Ablaßkrämerei, mit reiner Reparaturtechnologie
beschäftigt oder mit einem Schrebergärtlein "Politikfeld
Umwelt", der hat die notwendigen Kursänderungen für unsere
Gesellschaften nicht verstanden. Eine umfassende Schrumpfung der industriellen
Infrastruktur wird ebenso notwendig sein wie eine solare Energie- und
Stoffbasis. Und dies nicht irgendwann in einem halben Jahrhundert, sondern
in kürzest möglicher Frist. Auch unmittelbar halbierte Klimagasemissionen
würden das Problem nur hinauszögern und nicht etwa beseitigen.
Notwendig ist auch der Übergang in eine Rechts- und Gesellschaftsverfassung,
die von der Wachstumsdynamik abgekoppelt ist. Solche Fragestellungen lassen
sich natürlich kaum in Argumentationsstränge für eine mikropolitische
Bewertung, wie sie in der Arbeit vorgenommen wurde, hineinverlegen. Andererseits
muß es möglich sein zu bewerten, wie die Umweltpolitik in einem
Bundesland oder einem Gesamtstaat eingeschätzt werden kann. Vergleiche
zwischen den Umweltpolitiken von Ländern sind hilfreich, man kann
günstige und ungünstige Instrumente, Politiklagen etc. herausfiltern.
Aber man muß sich der Beschränktheit dieses Modus in aller
Schärfe bewußt sein. Etwa in dem "Lern- und Arbeitsbuch
Umweltpolitik" von Martin Jänicke u.a. sind sicher viele Aspekte
verzeichnet, die bei Analyse von Umweltpolitik hilfreich sein können.
Absolut inakzeptabel ist es aber, wenn man die Beschränktheit dieses
Horizonts, nicht versucht in die Analyse einzuarbeiten. Noch gibt es
dafür kaum geeignete Vorgehensweisen, sie sind vielleicht auch nur
bedingt entwickelbar, weil hier verschiedene Weltsichten aufeinanderprallen,
die nur partiell miteinander zu vereinbaren sind. Klar ist nur: Wer zu
spät kommt, den bestraft die Kli-makatastrophe.
Die heutige Politikpraxis innerhalb einer plutokratischen Herrschaftsstruktur
ist nicht im mindesten geeignet, den künftigen Generationen mehr
als einen gesellschaftlichen Scherbenhaufen zu hinterlassen. Daran könnte
zunächst auch der intelligenteste und vorausschauendste Politiker
innerhalb der gegebenen Strukturen wenig ändern. Freilich ließe
sich damit beginnen, deutlich zu sagen, was alles nicht mehr zureicht.
***
PDF-Datei mit der vollständigen Studie anfragen:
marko@ferst.de
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