Das Kreuz mit der Kohle

Wird rot-rote Umweltpolitik in Brandenburg ein Erfolgsmodell?

Von Marko Ferst

Im rot-roten Koalitionsvertrag in Brandenburg sind viele umweltpolitische Ziele festgeschrieben, die erheblich mehr ökologisches Engagement in den nächsten Jahren erwarten lassen als bei den Vorgängern. Mit Anita Tack als Umweltministerin stehen die potentiellen Chancen für einen Politikwechsel günstig. Rot-Rot will als Vorreiter bei den erneuerbaren Energien punkten. Dies wird jedoch fatal verknüpft mit der Forderung längerfristig an der Verstromung von Braunkohle festzuhalten. Erst wenn erneuerbare Energien den Bedarf an Energie sicher und zu international wettbewerbsfähigen Preisen decken, will man den Ausstieg aus der Braunkohle vollziehen. Auf den Gedanken, daß Großkraftwerke die Energiewende blockieren, wenn in wenigen Jahren nicht mehr 15 sondern 30 oder 50 % des Stroms erneuerbar erzeugt werden, kommt man erst gar nicht. Dann sind flexible, kleine Anlagen erforderlich, die schnell zu und abgeschaltet werden können. Großkraftwerke für die Grundlast mit Kohle befeuert, eignen sich dafür nicht. Sie verhindern eine zügige solare Energiewende für 100 % erneuerbaren Strom. Wer jetzt noch neue Kohlekraftwerke bauen will, hat sie 40 Jahre und länger im Budget. Wird überdies mehr für Energieeffizienz und -sparen getan, 30 oder gar 50 % des Strombedarfs in den nächsten 20 Jahren eingespart, dann stehen in der Lausitz gigantische Investitionsruinen.
Als designierter Wirtschaftsminister dürfte Ralf Christoffers für die Energiepolitik verantwortlich zeichnen. Er kritisierte 2008 das Volksbegehen zum Ausstieg aus dem Kohleabbau, das die LINKE in Brandenburg mitinitiierte und forderte den Aufschluß weiterer Tagebaue in der Lausitz, möglichst ohne Dörfer abzubaggern. Das Begehren verlangte bis spätestens 2040 die Braunkohle für die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien vollständig zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund läßt sich gut verstehen, warum die Umweltverbände ein Einknicken der LINKEN bei den Koalitionsverhandlungen sehen. Über 10000 Protestmails erreichten die linken Verhandlungsführer über das Netzwerk Campact. Aus der Partei selbst, nicht nur aus dem Ökoflügel, hagelte es scharfe Kritik. Alle erinnerten die Partei an ihre Wahlversprechen und forderten härter mit der SPD zu verhandeln. Mit Christoffers in der Verhandlungsgruppe ist es jedoch unglaubwürdig zu behaupten, mehr hätte man der SPD nicht abringen können.
Die hessische Energiestrategie der SPD, ausgearbeitet von Hermann Scheer, zeigt, daß auch Sozialdemokraten eine zukunftsfähige Energiewende konzipieren können. Das muß die LINKE der Brandenburger SPD noch beibringen. Klug, wer aus dem Papier für Brandenburg lernen würde. Längst ist das Tor zur Klimahölle geöffnet und der Niedergang der Zivilisation kaum noch abzuwenden. In der Arktis finden heute Veränderungen statt, mit der die Klimaforschung erst in 30 Jahren gerechnet hatte. Politik und Gesellschaft haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit offenen Augen geschlafen.
Zur Brandenburger Wahl zelebrierte die LINKE Plakate gegen die CO2-Verpressung. Gysis Bundestagsfraktion votiert gegen die CCS-Technologie. In einem Papier zeigt sie, der Wirkungsgrad der Kraftwerke würde extrem sinken, ein Drittel mehr Kohle verheizt werden müssen, um die gleiche Menge Energie wie vorher zu produzieren. So würden noch mehr Dörfer in der Lausitz abgebaggert. Im rot-roten Koalitionsvertrag jedoch sieht man plötzlich in den Endlagern für die Gase eine wichtige Zukunftstechnologie, ein glatter Wahlbetrug also. Es bestehen hochgradige ökologische Risiken für Grundwasser und Natur. 10 % Kohlendioxid in der Atemluft reichen aus, um einen Menschen ins Jenseits zu befördern. CO2 ist schwerer als Luft, beim Austritt aus undichten CO2-Speichern kann es sich also in Senken sammeln. Wer will die tödliche Dosis verantworten, wenn Gas aus dem Endlager in den Kellern von Siedlungen auftaucht? Kraftwerke mit CCS-Abscheidung würden den Baupreis extrem erhöhen, erneuerbare Energien schlagartig ökonomisch rentabler. Noch redet die SPD über Wolkenkuckucksheime, denn bisher läuft kein einziges Großkraftwerk mit der Abscheidung. Ob dies in den nächsten zehn Jahren gelingen wird, steht in den Sternen. Selbst wenn man nur 20% des ausgestoßenen Kohlendioxids in Deutschland abscheiden und endlagern wollte, wo will man die jährlich mehr als 160 Millionen Tonnen CO2 eigentlich hinverpressen?
Bis 2020 will man gegenüber 1990 40 % CO2 einsparen. Wegen der schon erreichten Reduktion in Brandenburg von rund 33 %, fordert sich Rot-Rot in den nächsten 10 Jahren real nur 7 % CO2-Einsparung ab. Der im Koalitionsvertrag festgeschriebene steigende Flugverkehr, ist eine besonders kontraproduktive Note beim Klimaschutz. Ein Nachtflugverbot für den Großflughafen Schönefeld, wie vom Bundesverwaltungsgericht 2006 gefordert, sucht man vergebens im Vertrag. Das die östliche Einflugschneise Vogelschutz- und FFH-Gebiete mitten durchquert, damit EU-Recht verletzt, paßt zu den vandalistischen Verhältnissen im Osten.
Brandenburg gehört zu den Spitzenreitern mit gentechnischen Aussaaten. Diese Chancen wird wohl die SPD-Landwirtschaftsministerin ausbauen. Für die Risikoforschung und um gentechnikfreie Zonen auszuweisen, dürfte das Umweltressort in der Pflicht stehen. Wie sonst soll man den Wortlaut so gegensätzlicher Forderungen interpretieren?
Doch die Linke zeigte in der Vergangenheit, sie ist zu fortschrittlicher Umweltpolitik fähig. Entwickelt man Programme für Moorschutz weiter, mit denen unter linker Federführung in Mecklenburg-Vorpommern begonnen wurde und wertet Erfahrungen zum Alleenschutz aus und vieles andere, kann am Ende sogar ein umweltpolitisches Erfolgsmodell stehen. Noch ist nicht sicher, daß es neue Tagebaue und CCS geben wird. Die praktische Politik dafür liegt in linken Ministerhänden und läßt sich an den eigenen Wahlversprechen ausrichten. Andernfalls würde das ökologische Image der LINKEN einen schweren Rückschlag erleiden.

Marko Ferst ist Mitglied im Koordinierungsrat der Ökologischen Plattform bei der LINKEN und veröffentlichte u.a. die Bücher „Wege zur ökologischen Zeitenwende“ mit Franz Alt und Rudolf Bahro und „Täuschungsmanöver Atomausstieg?“

 

 
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