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Eine
Generationen-Herausforderung: Neue Energie für Amerika
Al Gore
Meine Damen und Herren: Es gibt Zeiten in der Geschichte unserer Nation,
in denen die Art, wie wir weiterleben, völlig davon abhängt,
dass wir uns von Illusionen freimachen und aufwachen, um einer akuten
Gefahr entgegenzutreten. In solchen Momenten kommt es darauf an, dass
wir uns schnell und entschlossen aufraffen, alte Gewohnheiten aufgeben
und uns klarsichtig und engagiert der Notwendigkeit großer Veränderungen
stellen. Diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer, ihren
Beitrag dazu verweigern, müssen entweder überzeugt werden,
mitzumachen oder müssen sich auffordern lassen, dass sie zur Seite
treten. Dies ist solch ein Moment. Das Überleben der Vereinigten
Staaten von Amerika, so wie wir sie kennen, ist in großer Gefahr.
Und noch schlimmer - wenn man überhaupt noch nach Schlimmerem
fragen mag - die Zukunft der menschlichen Zivilisation steht auf dem
Spiel.
Mir fällt keine Zeit ein, in der in unserem Land gleichzeitig so
viele Dinge schief gelaufen sind. Unsere Volkswirtschaft ist in einem
schrecklichen Zustand und verschlimmert sich immer weiter, die Treibstoffpreise
steigen dramatisch an und auch die Strompreise. Arbeitsplätze werden
ins Ausland verlegt. Wohnungsbaukredite geraten in Schwierigkeiten. Banken,
Automobilkonzerne und andere Institutionen, von denen wir abhängen,
geraten unter immer stärkeren Druck. Anerkannte Führungskräfte
der Wirtschaft sagen uns, dies sei erst der Anfang, wenn wir nicht den
Mut finden, einige wichtige Veränderungen schnell vorzunehmen.
Besonders der Klimawandel verschlimmert sich - erheblich schneller als
bisher vorhergesagt. Wissenschaftler mit Zugang zu den Messwerten unserer
Unterseeboote, die das Polareis am Nordpol unterqueren, warnen uns, dass
mit 75 prozentiger Wahrscheinlichkeit innerhalb von fünf Jahren
die Eiskappe während der Sommermonate völlig verschwinden wird.
Dadurch wird sich das Abschmelzen des Grönlandeises weiter beschleunigen
[2]. Experten sagen, dass der Jakobshavn-Gletscher, einer der größten
in Grönland, schneller als je zuvor wegschmilzt. Täglich verliert
er so viel Tonnen Eis, wie die Einwohner von NewYork in einem ganzen
Jahr an Wasser verbrauchen.
Zwei wichtige Studien des militärischen Abwehrdienstes warnen unsere
Regierung vor den gefährlichen Auswirkungen des Klimawandels auf
die nationale Sicherheit, einschließlich der Möglichkeit,
dass Hunderte von Millionen von Klimaflüchtlingen weltweit die Nationen
destabilisieren. Gerade vor zwei Tagen haben 27 ehemalige Staatsmänner
und pensionierte militärische Führer vor der Bedrohung der
nationalen Sicherheit durch die verheerenden Erschütterungen ("Energie-Tsunami")
gewarnt, die sich ergeben würden, wenn wir unseren Zugang zu ausländischen Ölquellen
verlieren. Inzwischen geht der Krieg im Irak weiter und derzeit eskaliert
offenbar der Krieg in Afganistan.
Und nebenbei gesagt, unser Wetter wird ja auch etwas sonderbar, nicht
wahr? Seit Menschengedenken gab es anscheinend noch nie so viele Tornados,
längere Dürreperioden, heftigeren Starkregen und Rekordüberschwemmungen.
Brände noch nie bekannten Ausmaßes toben in Kalifornien und
anderswo im amerikanischen Westen. Höhere Temperaturen trocknen
die Vegetation aus, so dass zundertrocknes Kleinholz als Brandbeschleuniger
für Mega-Feuer entsteht, wie sie in Canada, Griechenland, Russland,
China, Südamerika Australien und Afrika gewütet haben. Geophysiker
der Universität von Tel Aviv sagen uns, dass für jedes Grad
Temperaturerhöhung die Zahl der Blitzeinschläge um weitere
10 Prozent ansteigt. Und schließlich ist es dann ein Gewitter,
das für den gegenwärtigen Flächenbrand in Californien
verantwortlich ist.
Viele Leute meinen wie ich, dass all diese Probleme größer
sind als jeder der bisher vorgeschlagenen Lösungsansätze und
das hat mich lange beunruhigt. Ich bin überzeugt, dass wir angesichts
dieser Krisen deshalb wie gelähmt erscheinen, weil wir dazu neigen,
für jede dieser Krisen gesondert eine andere überholte Lösung
anzubieten, ohne den Zusammenhang zwischen den Problemen zu berücksichtigen.
Und diese längst überholten Lösungsvorschläge erweisen
sich nicht nur als ineffektiv - fast immer verschlimmern sie sogar jeweils
die andern Krisen.
Doch wenn wir die drei anscheinend unlösbaren Herausforderungen
im Zusammenhang betrachten, dann erkennen wir den roten Faden, die gemeinsame
Ursache. Sie ist geradezu lächerlich einfach zu beschreiben: Unsere
gefährliche, geradezu sklavische Abhängigkeit von fossilen
Energiequellen ist die gemeinsame Ursache dieser drei Bedrohungen - der ökonomischen
Krise, der Umweltkrise und der Krise der nationalen Sicherheit.
Wir leihen uns Geld von China, um Öl aus dem persischen Golf zu
kaufen, um es dann zu verbrennen, wodurch dann dieser Planet zerstört
wird. All das - Stück für Stück - muss sich ändern.
Aber wenn wir den roten Faden, der sich durch all diese Probleme zieht,
ergreifen und kräftig daran ziehen, dann fangen diese komplexen
Probleme an, sich aufzuribbeln und wir entdecken, dass wir die Antwort
tatsächlich in unserer Hand halten. Die Antwort lautet, wir müssen
unsere Abhängigkeit von den fossilen Energiequellen beenden.
Bei meiner Suche nach wirklich effektiven Reaktionen auf den Klimawandel
habe ich eine Serie von "Lösungs-Gipfelgesprächen" mit
Ingenieuren, Wissenschaftlern und führenden Wirtschafts-Managern
abgehalten. Bei diesen Diskussionen ist mehr als deutlich klar geworden:
Wenn man die Einzelerkenntnisse zusammenführt, zeigt es sich, dass
die Maßnahmen gegen den Klimawandel genau die gleichen Maßnahmen
sind, die wir brauchen, um unsere Volskswirtschaft zu erneuern und der
Falle der ständig steigenden Energiepreise zu entkommen. Darüber
hinaus sind es auch die gleichen Maßnahmen, die wir brauchen um
unsere nationale Sicherheit zu garantieren, ohne wieder Krieg am persischen
Golf führen zu müssen.
Wie wäre es, wenn wir Energiequellen nutzten, die nicht teuer sind,
keine Emissionen verursachen und hier zuhause im Überfluss zur Verfügung
stehen? Wir haben solche Energiequellen. Wissenschaftler bestätigen,
dass alle 40 Minuten genügend Sonnenenergie auf der Erdoberfläche
ankommt, um damit den gesamten Weltenergieverbrauch eines Jahres abzudecken.
Man braucht nur einen kleinen Teil dieser Sonnenenergie zu nutzen, um
damit die gesamte benötigte elektrische Energie Amerikas zu erzeugen.
Und genug Wind bläst jeden Tag durch den Midwest-Corridor, der ebenfalls
100 Prozent des US-Strombedarfs decken kann. Geothermische Energie kann
ganz ähnlich einen enormen Beitrag zur Stromversorgung von Amerika
bereitstellen. Die schnellste, billigste und beste Art, all diese Erneuerbaren
Energien zu nutzen, ist die Produktion von Elektrizität. Tatsächlich
können wir ab sofort Solarenergie, Windkraft und geothermische Energie
nutzen, um Strom für unsere Wohnungen und für die Wirtschaft
zu erzeugen. Aber um dieses erstaunliche Potential wirklich zu nutzen
und damit wirklich und wahrhaftig die nationalen Probleme zu lösen,
brauchen wir einen neuen Anfang.
Aus eben diesem Grund schlage ich heute eine strategische Initiative
vor, die das Ziel hat, uns von den drückenden Krisen zu befreien
und unsere Handlungsfähigkeit zurück zu gewinnen. Dies ist
nicht das Einzige, was wir tun müssen. Aber dies ist der Dreh- und
Angelpunkt einer mutigen Strategie, Amerika wieder mit neuer Energie
zu versorgen, im wörtlichen und im übertragenen Sinne. Heute
fordere ich unsere Nation auf, sich zu verpflichten, innerhalb von 10
Jahren 100 Prozent unserer Elektrizität aus Erneuerbarer Energie
und aus wirklich kohlenstofffreien Quellen zu erzeugen.
Dieser Plan ist durchführbar, bezahlbar und höchst wirksam.
Er stellt eine Herausforderung für Amerikaner aller Gesellschaftsschichten
dar: für unser politischen Führer, Unternehmer, Erfinder, Ingenieure
und für jeden Bürger. Noch vor wenigen Jahren hätte ich
so einen nationalen Appell nicht veröffentlichen können. Aber
es hat sich inzwischen etwas geändert: Die deutlichen Kostensenkungen
für Solar-, Wind- und Geothermiestrom auf der einen Seite und die
kürzlich erfolgten Preisanstiege bei Öl und Kohle auf der anderen
Seite haben die Maßstäbe der Wirtschaftlichkeit im Energiesektor
radikal verändert.
Als ich vor 32 Jahren zum ersten Mal zum Kongress ging, hörte ich,
wie Experten aussagten, dass erneuerbare Energiequellen konkurrenzfähig
sein würden, wenn der Ölpreis jemals auf 35 $ ansteigen sollte.
Nun, heute liegt der Preis bei mehr als 135 $ pro Barrrel, und wirklich,
Milliarden von Dollar an neuen Investitionen fließen in die Entwicklung
konzentrierter thermoelektrischer Sonnenenergie und Photovoltaik, in
die Entwicklung von Windmühlen, Geothermiewerken und einer Vielzahl
genialer neuer Möglichkeiten, unsere Effizienz zu verbessern und
Energien zu sparen, die augenblicklich verschwendet werden.
Da die Nachfrage nach erneuerbaren Energien wächst, fallen die Kosten
weiterhin [3]. Lassen Sie mich dies an einem aufschlussreichen Beispiel
erläutern: Der Preis des besonderen, für die Herstellung von
Solarzellen benutzten Siliziums lag vor kurzem noch bei 300 $ pro kg,
doch die letzten Aufträge wurden für Preise vergeben, die nur
50 $ pro kg betrugen. Das Gleiche geschah mit den Computerchips – auch
sie werden aus Silizium hergestellt. Für die selbe Leistungsstärke
sank der Preis alle 18 Monate um 50 % - Jahr für Jahr, und zwar
40 Jahre hintereinander.
Denen, die meinen, die Kosten seien noch immer zu hoch, sage ich: überlegen
Sie gut, ob sie glauben, dass die Kosten von Öl und Kohle jemals
aufhören werden zu steigen, wenn wir uns weiterhin darauf verlassen,
dass schnell auslaufende Energiequellen eine rund um die Welt rapide
steigende Nachfrage befriedigen können. Wenn der Bedarf an Öl
und Kohle wächst, steigt ihr Preis. Wenn der Bedarf an Solarzellen
wächst, gibt es oft eine Preissenkung. Wenn wir Geld an ferne Länder
schicken, um nahezu 70 Prozent unseres täglichen Ölkonsums
zu kaufen, bauen jene Länder neue Wolkenkratzer, und wir verlieren
Arbeitsplätze. Wenn wir das Geld benutzen, um Solaranlagen und Windmühlen
zu erstellen, bauen wir konkurrenzfähige Industrien auf und gewinnen
Arbeitsplätze hier bei uns.
Natürlich gibt es immer Leute, die uns sagen, dass das alles nicht
geht. Einige dieser Stimmen sind die Verteidiger des status quo – die
mit einem eigenen Interesse an der Erhaltung des heutigen Systems, ganz
gleichgültig, welchen Preis wir Übrigen dafür zahlen müssen.
Doch auch die, die von dem Kohlenzeitalter profitieren, müssen irgendwann
die Unvermeidbarkeit seines Endes erkennen. Wie ein OPEC Ölminister
es ausdrückte: „Die Steinzeit ging nicht zu Ende, weil Steine
knapp wurden“.
Denen, die meinen, 10 Jahre seien nicht genug, sage ich respektvoll:
Hören Sie doch bitte, was die Wissenschaftler der ganzen Welt uns über
die Gefahren sagen, die uns bedrohen, wenn wir nicht innerhalb von 10
Jahren handeln. Die führenden Fachleute versichern, dass uns weniger
als 10 Jahre bleiben, die Emissionen von Klimagasen drastisch zu verringern,
da wir sonst die Fähigkeit verlieren, uns jemals von dieser Umweltkrise
zu erholen. Mit wachsendem Öl- und Kohleverbrauch steigen auch die
CO2-Emissionen. Mit wachsender Nutzung von Solar-, Wind- und Geothermieenergien
sinken die CO2-Emissionen.
Denen, die meinen, unser Vorhaben sei aus politischen Gründen nicht
akzeptabel, schlage ich vor, vor das amerikanische Volk zu treten und
zu versuchen, den Status Quo zu verteidigen. Und dann werden Sie erkennen,
dass das Volk sich nach einer Veränderung sehnt. Ich meinerseits
glaube nicht, dass unser Land noch 10 Jahre lang Benzinpreiserhöhungen
ertragen kann. Unsere Arbeiter können nicht noch 10 Jahre lang Arbeitsplatzverluste
und die Verlagerung von Fabriken ins Ausland ertragen. Unsere Wirtschaft
kann nicht noch 10 Jahre lang ertragen, dass alle 24 Stunden 2 Milliarden
Dollar für Öl in fremde Länder geschickt werden. Und unsere
Soldaten und ihre Familien können nicht noch 10 Jahre lang ertragen,
dass die Truppen wieder und wieder in gefährliche Regionen geschickt
werden, die gerade zufällig grössere Ölvorkommen aufweisen.
Was könnten wir stattdessen in den kommenden 10 Jahren tun? Was
SOLLTEN wir in den kommenden 10 Jahren tun? Einige unserer größten
Leistungen als Nation erwuchsen aus der Entschlossenheit, ein Ziel zu
erreichen, das zeitlich weit hinter der nächsten Wahl lag: Der Marshallplan,
die Sozialrente, das Netz von Fernstraßen. Aber ein politisches
Versprechen, etwas in 40 Jahren zu schaffen, wird allgemein ignoriert,
da es bekannterweise bedeutungslos ist. Zehn Jahre ist in etwa der maximale
Zeitraum, über den wir als Nation ein Ziel verfolgen und auch erreichen
können. Als Präsident John F. Kennedy unsere Nation dazu aufforderte,
innerhalb von 10 Jahren einen Mann auf dem Mond landen zu lassen und
ihn heil zurückzubringen, bezweifelten viele die Realisierbarkeit.
Doch schon 8 Jahre und 2 Monate später beschritten Neil Armstrong
und Buzz Aldrin die Mondoberfläche.
Gewiss, das Ziel, 100-prozentig erneuerbare, wirklich saubere Elektrizität
in höchstens 10 Jahren zu erreichen, wird von uns die Überwindung
mannigfaltiger Hindernisse verlangen. Zum Beispiel verfügen wir
jetzt noch nicht über ein einheitliches landesweites Strometz mit
ausreichender Transportkapazität, um die Gebiete, in denen die Sonne
scheint und der Wind bläst, mit den Städten im Osten und im
Westen zu verbinden, die diesen Strom brauchen. Unser landesweites elektrisches
Netz ist infrastrukturell so lebenswichtig für das Wohl und die
Sicherheit unserer Wirtschaft wie unser Straßen- und unser Telekommunikationsnetz.
Derzeit sind unsere Stromnetze antiquiert, nicht ausreichend dimensioniert
und nicht dagegen geschützt, dass ein Stromausfall an einer Stelle
sich in einer Kettenreaktion weiträumig ausbreitet. Stromausfälle
und Defekte kosten die amerikanische Industrie laufend mehr als 120 Milliarden
Dollar im Jahr. Die Netze müssen also in jedem Fall auf den neuesten
Stand gebracht werden.
Wir könnten den Wert und die Effizienz eines zukünftigen nationalen
Stromnetzes weiter erhöhen, indem wir unseren notleidenden Automobilkonzernen
helfen, sich auf die Herstellung von Elektroautos zum Aufladen an der
Steckdose umzustellen. Eine elektrische Fahrzeugflotte würde die
Kosten des Autofahrens erheblich verringern, den CO2-Ausstoß verringern
und die Flexibilität unseres Elektrizitätsnetzes erhöhen.[4]
Zugleich müssen wir uns natürlich auch mit viel größerer
Entschlossenheit zu Effizienz und Resourcenschonung verpflichten. Das
ist die beste Investition, die wir machen können.
Amerikas Umstieg auf die Erneuerbaren Energien darf nicht zu Lasten derjenigen
erfolgen, die unter gefährlichen Bedingungen für unsere bisherige
Energieversorgung geschuftet haben. Z.B. sollten wir jedem Kohlengrubenarbeiter,
der durch die Energiewende arbeitslos wird, unsere Anerkennung zollen
und ihm einen Arbeitsplatz unter guten Arbeitsbedingungen (Sonnenschein
und frische Luft) garantieren. Jedem von ihnen.
Natürlich könnten und sollten wir diesen Übergang beschleunigen,
indem wir darauf bestehen, dass im Preis für fossile Energie auch
die externen Kosten enthält. Seit langem befürworte ich eine
gründliche Reduktion der Lohnsteuer, wobei die Mindereinnahmen durch
CO2 Steuern ausgeglichen würden. Wir sollten besteuern, was wir
verbrennen, nicht was wir verdienen. Das wäre im Einzelnen die wichtigste Änderung,
die wir in unserer Politik vornehmen könnten.
Um die internationale Zusammenarbeit zu fördern müssen sich
die Vereinigten Staaten, wieder in die Völkergemeinschaft integrieren
und sich im Dezember nächsten Jahres in Kopenhagen für den
Abschluss eines internationalen Vertrages einsetzen. der sowohl die Begrenzung
der CO2 Emissionen als auch eine globale Partnerschaft bei der Bekämpfung
von extremer Armut und Krankheiten als Aufgabe der Weltgemeinschaft zur
Lösung der Klimakrise anerkennt.
Allerdings ist vielleicht das größte Hindernis für die
Durchsetzung der 100-Prozent erneuerbarer Energie in 10 Jahren die tiefgreifende
Funktionsunfähigkeit unserer Politik und unseres heutigen Selbstverwaltungssystems.
Seit einiger Zeit kommt es nur noch zu unbedeutenden Vorlagen, die keine „Special
Interests“, d.h. besondere Interessen, verletzen dürfen. Alternativ
werden nur noch winzige Schrittchen in die richtiger Richtung vorgenommen.
Unsere Demokratie ist sklerotisch erstarrt und das zu einer Zeit, da
die genannten Krisen Mut und Entschlossenheit erfordern. Nur ein wirklich
funktionsunfähiges System kann sich der perversen Logik verschreiben,
dass die kurzfristige Lösung des Problems hoher Benzinpreise darin
zu finden ist, in zehn Jahren nach mehr Öl zu bohren.
Bin ich der Einzige, der sich darüber wundert, dass unsere Regierung
so oft eine sogenannte Lösung akzeptiert, die mit dem anstehenden
Problem absolut nichts zu tun hat? Wenn die Leute sich ganz berechtigt über
die höheren Benzinpreise beklagen, schlagen wir vor, den Ölfirmen
mehr Geld zu geben und behaupten, sie würden die Preise senken.
Das wird gewiss nicht geschehen, und jeder weiß das auch. Wenn
wir immer wieder das Gleiche tun, das noch nie gewirkt hat und nur zu
den höchsten Benzinpreisen aller Zeiten und zugleich zu den höchsten
Profiten für die Ölfirmen führte, sollte niemand überrascht
sein, wenn wir immer wieder dieselben Ergebnisse erhalten. Nun ist der
Kongress möglicherweise dennoch geneigt, irgendwie in derselben
Richtung zu gehen, da einige der Mitglieder von den Lobbyisten der Special
Interests geradezu überrannt werden, die genau wissen, wie sie das
System zu ihren Gunsten anstatt zu den Gunsten der Menschen in Amerika
nutzen können.
Wenn Sie die Wahrheit über die Benzinpreise wissen wollen, hier
ist sie: die explodierende Nachfrage nach Öl, besonders in Ländern
wie China, ist so viel höher als die Geschwindigkeit und das Ausmaß neuer Ölfunde,
dass die Ölpreise mit größter Wahrscheinlichkeit weiterhin
im Lauf der Zeit steigen werden, ganz unabhängig davon, was die Ölfirmen
versprechen. Und die Politiker können die Benzinpreise nicht kurzfristig
zum Sinken bringen. Jedoch es gibt eine äußerst effektive
Methode, die Kosten, ein Auto zu fahren, innerhalb von wenigen kurzen
Jahren herunterzuschrauben. Die Methode besteht darin, unsere Abhängigkeit
vom Öl zu beenden und die erneuerbaren Energiequellen zu nutzen,
die so günstig sind, als würde die Gallone Benzin 1 $ kosten
[5].
Viele Amerikaner haben begonnen zu überlegen, ob wir einfach die
Lust an mutigen und entschlossenen politischen Lösungen verloren
haben oder nicht. Und Leute, die behaupten zu wissen, wie unser System
dieser Tage funktioniert, sagen uns, wir können ruhig die Hoffnung
aufgeben, dass unser politisches System irgendetwas Mutiges und Entschlossenes
tun wird, besonders wenn dies den Wünschen der „Special Interests“ widerspricht.
Und ich muss zugeben: so scheint es wirklich zu laufen. Doch höre
ich neuerdings auch andere Stimmen in diesem Lande, die Stimmen von Leuten,
die nicht nur von den winzigen Schrittchen und der Politik der „Special
Interests“ genug haben, sondern sich nach neuen, anderen und mutigen
Ansätzen sehnen.
Wir stehen vor einer Präsidentenwahl. Und wir befinden uns mitten
in einem Prozess, einen internationalen Klimavertrag auszuhandeln, der
vor dem Ende des ersten Jahres der neuen Präsidentschaft abgeschlossen
sein wird. Es ist durchaus falsch zu behaupten, dass die Vereinigten
Staaten darauf warten müssen, dass andere sich uns in dieser Sache
anschließen. Ganz im Gegenteil müssen wir vorausgehen, denn
nur so gelingt es, andere zum Folgen zu überreden, und auch weil
es in unserem nationalen Interesse liegt, voranzuschreiten.
So fordere ich Sie nun auf, sich mir in dem Vorhaben anzuschließen,
jeden Kandidaten, ganz gleich für welches politische Amt er kandidiert,
dazu aufzurufen, sich dieser Herausforderung zu stellen dass Amerika
in 10 Jahren 100-prozentig mit CO2-frei erzeugter-Elektrizität versorgt
wird. Es ist Zeit für uns, die leere Rhetorik hinter uns zu lassen.
Wir müssen jetzt handeln.
Dies ist ein Moment für unsere Generation. Ein Moment, in dem wir
entscheiden, welchen Weg wir einschlagen wollen und wie unser allgemeines
Schicksal aussehen soll. Ich fordere Sie auf – jeden Einzelnen
von Ihnen -, sich mir anzuschließen und diese Zukunft zu gestalten.
Ich bitte Sie, unter wecansolveit.org in die WE Kampagne einzutreten.
Wir brauchen Sie. Und wir brauchen Sie sofort. Wir sind entschlossen,
nicht nur Glühbirnen auszuwechseln, sondern Gesetze zu ändern.
Und um Gesetze zu ändern, brauchen wir gute Führung.
Am 16. Juli 1969 waren die Vereinigten Staaten endlich so weit, Präsident
Kennedys Aufforderung, Amerikaner auf den Mond zu schicken, zu erfüllen.
Ich werde niemals vergessen, wie ich wenige Meilen von der Abschussstelle
neben meinem Vater stand und darauf wartete, dass die riesige Saturn
5 Rakete den Apollo 11 in den Himmel trug. Ich war jung, 21 Jahre alt,
hatte einen Monat vorher mein Staatsexamen gemacht und trat drei Wochen
später in die amerikanische Armee ein.
Ich werde niemals das erhebende Gefühl dieser Minuten vergessen.
Die mächtige Vibration der riesigen Rakete ließ meinen ganzen
Körper erzittern. Während ich die Rakete aufsteigen sah, erst
langsam und dann mit großer Geschwindigkeit, war der Krach ohrenbetäubend.
Wir drehten unsere Hälse, um der Rakete mit den Augen zu folgen,
bis wir senkrecht in den Himmel schauten. Und dann, vier Tage später,
sahen wir mit Hunderten von Millionen anderer Menschen in aller Welt
zu, wie Neil Armstrong einen kleinen Schritt auf der Mondoberfläche
tat und dem Lauf der Menschheitsgeschichte eine neue Wendung gab.
Heute gilt es, unsere Nation anzuspornen, ein neues Ziel ins Auge zu
fassen, das den Gang der Geschichte ändern wird. Unsere gesamte
Zivilisation hängt davon ab, dass wir einen neuen Weg der Forschung
und Entdeckung einschlagen. Unser Erfolg hängt von unserer Bereitschaft
als Volk ab, diesen Weg zu gehen und in zehn Jahren das Ziel zu erreichen.
Noch einmal haben wir die Gelegenheit, die Menschheit einen Riesenschritt
vorwärts zu bringen.
Quelle:
http://wecansolveit.org/pages/al_gore_a_generational_challenge_to_repower_america/
http://www.sfv.de/druckver/artikel/2008/A_Genera.htm
(Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V.)
zuletzt erschienen: Al Gore: Angriff auf die Vernunft, 2007, 350 Seiten,
19 €
SFV-Anmerkungen:
Bis zum 26.07.2008 haben sich bereits 1.430.135 Menschen der Bewegung
angeschlossen.
[1] Die Überschrift enthält ein Wortspiel. "Repower America" kann
entweder bedeuten: Amerika mit neuer Energie versehen oder Amerika wieder
mächtig machen oder beides.
[2] Blendend weißes Eis wirft die Sonnenstrahlen zurück. Tiefblaues
Meereswasser hingegen nimmt die Sonnenstrahlen auf.
[3] Die höhere Nachfrage senkt zunächst keineswegs die Preise.
Aber sie bringt die Wind- und Solaranlagen in die Massenproduktion und
Massenproduktion senkt dann auf längere Sicht entsprechend der zunehmenden
Produktionserfahrung die Herstellungskosten.
[4] Es bietet sich an, die Batterien der Elektroautos bevorzugt bei Stromüberschuss
an sonnigen und windigen Tagen aufzuladen
[5] entspricht etwa 20 Eurocent pro Liter. Al Gore geht also, sehr grob
gerechnet, davon aus, dass ein Elektroauto mit Windstrom etwa ein bis
zwei Euro auf 100 Kilometer braucht.
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