von Marko Ferst

 

Zivilisation im Spätstadium

 

Die Wüsten brennen sich
durch die Kontinente
Atem, der nicht mehr ist
heißer und heißer
die großen Stürme spielen auf
solange Füße tragen
drängen Menschenströme
versickern im Sand
der Treibhauszeit

So wie das altägyptische Reich
und die Maya untergingen
in Klimakapriolen
gefertigt von Mutter Natur
begleitet durch eigene Fehlstände
wird bald die Luft glühen
für die ganze Zivilisation
bereitet aus dem Tagwerk
unserer faustischen Turmbauten

Völkerwanderungen
die Steppen ziehen in Europa ein
Australien verglüht
Sibirien firmiert chinesisch
Tornados zerpflügen die Häuser
jeder Paß wird unnütz sein
Europa kann so wenig standhalten
wie einst das römische Imperium
das Mittelmeer
schon heute tödliche Arme
Vorspiel kommender
Massenfluchten

Die Winde und Wetter
spielen nach neuen Zufällen
all die Kippunkte
liefern unerwartete Lagen
die abschätzen könnte nur einer
der aus der Zukunft kommt
restlos ausgeräumt werden
die karg gewordenen Gärten
alle die Grundrisse
des einstigen Super-Parasiten

Wohin wird es
menschlichen Geist verschlagen
wenn die natürlichen Gaben
immer knapper werden
und Wachstumszahlen
als überholte Religion gelten
die Ziele der lebenden Generation
zum Alptraum
der kommenden werden
noch von den Resten
werden wir bauen
bis sich alles verliert
wenn aus dem Wandel
der fatale Umbruch wird.

Schädel, Blut und Knochen
zeugen von Schnitten und Schlägen
nicht nur in altägyptischen Bodenschichten
überall brechen die Fugen
die vielen Dämme
halten nicht mehr ab
wie schnell wird
der Bestialismus triumphieren?

Auf welche Evolution
könnte Gesellschaft
noch setzen?
wie mutiert jene Hydra
der kapitalistische Sog?
welche revolutionären Sprünge
sichern Momente für eine
rettende Wandlung?
wo liegen die Grenzen
technischer Hybris
und seien es
die Sonnengötter aus Silizium?

Niemand weiß,
ob es die Nordzonen geben wird
jene Restbestände
an Sibiriens und Kanadas Küsten
oder kühle, fruchtbare Hochebenen
neues Siedlungsland
Graskampen-Hütten - unterirdisch
wie Alexandrias Leuchtturm
in Meerfluten versank
wird es in allen Formen
bald auch den Monumenten
unserer Epoche beschieden sein

Nur Archäologen
von einem erdähnlichen Planeten
könnten reiche Funde quittieren


2007, 3-2010, 3-2012, 8-2015


aus dem Gedichtband "Jahre im September"

 

 

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