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Die
Knechtschaft des Geldes
KUM'A
NDUMBE III.
Es
sieht so aus, als hätte die Knechtschaft des Geldes in den internationalen
Beziehungen mit dem Riesenberg Verschuldung angefangen. Europa nahm aber
den entscheidenden Vorsprung bereits mit seiner Entdeckung Amerikas und
der damit verbundenen sicheren Schiffahrt. Die Sklaverei brachte hundertfache
Gewinne für die europäischen Händler. Aus der Knechtschaft
von Abermillionen Schwarzen entsprang für die Europäer und die
europäischen Emigrantinnen eine Geldmauer, welche ein internationales
Abhängigkeitsverhältnis zwischen Süd und Nord zunächst
einleitete, dann besiegelte. Die ergiebigen Kolonialreiche in Amerika,
später in Afrika und Asien bereicherten das Mutterland Europa so
sehr, daß die industrielle Revolution dort ausgelößt
wurde und sie die wirtschaftliche Landschaft der Welt entscheidend veränderte.
Kolonialismus war nur eine notwendige wirtschaftliche Konsequenz der Bedürfnisse
der jungen Industrie und war dazu gedacht, die einheimische Wirtschaft
der Kolonialvölker in die Knechtschaft Europas zu führen. Ausbeutung
war ein ganz normaler und selbstverständlicher Begriff, der die Beziehungen
zwischen Nord und Süd kennzeichnete und berechtigte.
Von allen Kontinenten blutete Afrika am meisten aus. Dieser Kontinent
hatte sich vom transatlantischen Sklavenhandel noch nicht erholen können,
als es von Europa mit Waffengewalt dazu genötigt wurde, seine traditionellen
Erzeugnisse durch Kolonialprodukte für die Bedürfnisse der
europäischen Industrie zu ersetzen, seine kontinentalen Handelswege
aufzulösen und dafür nur noch in Richtung Küste und damit
für den Export nach Europa zu arbeiten. Die Europabestimmtheit der
afrikanischen Ökonomie riß den Afrikanern das Heft über
ihre Wirtschaft endgültig aus der Hand, und die Unabhängigkeit
der sechziger Jahre vermochte kaum etwas daran zu ändern.
Seit der Souveränität dieser Staaten rutschen die Weltmarktpreise
ihrer Rohstoffe in den Keller, die eingeführten Fertigprodukte werden
immer teurer. Diese Länder bestimmen weder die Preise der Produkte
, die sie herstellen, noch haben sie Einfluß auf die Preise der
Einfuhrwaren aus dem Norden. Wer es im Süden nicht schafft, konkurrenzfähige
Fertigprodukte für den Weltmarkt herzustellen, und in der traditionellen
Funktion des Rohstoffzulieferers verankert bleibt, wer auch kein Erdöl
besitzt, kommt aus dem Teufelskreis von Abhängigkeit und Verschuldung
nicht heraus. Er läuft Gefahr, wie der gesamte Kontinent Afrika,
als Marginalie aus dem internationalen Wirtschaftsverkehr ausgestoßen
zu werden.
Diese festgefahrene Knechtschaft wird darüber hinaus noch von einer
einheimischen Elite verwaltet, die oft vor allem auf eigene Pfründe
bedacht ist und nicht vorrangig die Interessen der gesamten Bevölkerung
vertritt. Nicht selten hält sie die eigenen MitbürgerInnen in
Schach und macht sie mundtot. VerfechterInnen des Kolonialismus nutzen
diesen Tatbestand aus und behaupten, die internationale Bestimmtheit der
Wirtschaft armer Länder durch die Institutionen der Weltbankgruppe
würde nicht genügen, man müsse zu einer wohlgemeinten
Treuhandschaft über diese Länder übergehen. Als hätte
der Kolonialismus je behauptet, er wäre nicht wohlgemeint! Die konzertierte
Aggression Europas gegen Afrika im 19. Jahrhundert soll sich im angebrochenen
21. Jahrhundert in eine gemeinsame Treuhand des Nordens über den
armen und schwachen Süden verwandeln? Herrliche Aussichten auf die
totale und totalitäre Knechtschaft des Geldes in den internationalen
Beziehungen!
Entschuldung ist ein Mindestmaß an Wiedergutmachung und Gerechtigkeit
in den Be-ziehungen zwischen Nord und Süd. Aber Entschuldung ohne
Veränderung der Wirt-schaftsstrukturen in diesen Staaten, die landes-
und regionalbezogen sind und eine gerechtere Verteilung der Güter
unter der Bevölkerung ermöglichen, kann nur zur maßlosen
Bereicherung einer kleinen einheimischen und internationalen Elite führen.
Gerechtigkeit und Frieden würden dann in weite Ferne rücken.
Entschuldung, Restrukturierung der Wirtschaften vor einer Integration
in die Weltwirtschaft - dies sollte das anzustrebende Ziel sein. Und es
eilt sehr!
erschienen in "Südwind"
1996
Der Autor ist Professor für
Politologie an der Universität Yaounde, Kamerun und war Professor
an der Freien Universität Berlin
Veröffentlichungen in deutsch u.a.: Kum'a Ndumbe III.; Was wollte
Hitler in Afrika?
Internet: www.africavenir.org
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