Je feiner die Partikel, desto größer die Gefahr

Öffentliches Fachgespräch der Grünen zum Ultrafeinstaub am BER in Eichwalde


Von Marko Ferst


Spielt Lärm in der Diskussion um den neuen Berliner Großflughafen eine zentrale Rolle, so bleiben Flugabgase und die Ultrafeinstäube der Flugzeuge bislang völlig unterbelichtet. Dies wollte die grüne Landtagsfraktion in Brandenburg mit einem öffentlichen Fachgespräch an-fangen zu ändern und lud am Mittwoch in die alte Feuerwache nach Eichwalde ein, zog drei Experten hinzu.
Bisher werden Ultrafeinstäube nicht gemessen im Umfeld des BER. Wolfgang Schwämmlein vom Bündnis der Bürgerinitiativen im Rhein-Main-Gebiet, Sprecher der Arbeitsgruppe Feinstaub, zeigte in einem kurzen Videobeitrag, wie sie mit einem mobilen Meßgerät in Raunheim direkt unter einem startenden vierstrahligen Flugzeug ein mobiles Gerät einsetzen. Von 23000 auf 31700 Partikel pro Kubikzentimeter stieg kurz nach dem Überflug der Pegel, sank allmählich, um beim nächsten Überflug erneut anzusteigen.
Prof. Oswald Rottmann, einst an der TU München tätig, rechnet für den BER bei 300.000 Flugbewegungen im Jahr mit acht Tonnen Luftschadstoffen bei den Starts und Landungen pro Tag. Akribisch listete er auf von den Stickoxiden, dem Schwefeldioxid bis zum Ruß, was al-les ausgestoßen wird. Als Umweltschadstoffe riskant sind z.B. polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, einige davon krebserregend. Insgesamt verlassen die Triebwerke über 250 verschiedene chemische Verbindungen.
Während Partikel mit 10.000 bis 2.500 Nanometer Größe in den oberen Atemwegen hängen bleiben, führt er aus, werden solche, die kleiner als 100 Nanometer sind, selbst von den Lun-genbläschen nicht zurückgehalten und nehmen die Schadstoffe, die an ihnen haften, direkt mit ins Blut. Wolfgang Schwämmlein erläuterte, beim Start einer Boeing 767 oder eines A330 werden pro Sekunde eine Billion Ultrafeinstaubpartikel ausgestoßen. Bisher kommt es bei offizieller Messung auf die Schwere der Partikel an, nicht auf deren Toxizität.
Längst mißt man in den USA neben der groben Feinstaubfraktion vor allem die feinen Parti-kel unter 2500 Nanometern und setzt auch Grenzwerte für die feine Fraktion. Christoph Schulze von den BVB/Freien Wählern stellte eine Anfrage an die Landesregierung. Diese sieht aber keinen Bedarf für Messungen. Hessen immerhin mißt inzwischen an zwei Stellen. Wolfgang Schwämmlein verwies auf aufwendige Erhebungen am Flughafen in Los Angeles, Autos fuhren ständig weiträumig feste Routen ab. Das ergab eine vier- bis sechsfache Kon-zentration an Ultrafeinstaub bei Westwind über der Stadt.
Prof. Hans Behrbohm, Chefarzt der HNO-Abteilung in der Parkklinik Weißensee, erläuterte, innerhalb von drei Stunden werden die Partikel durchschnittlich 30 Kilometer weit transpor-tiert. Die Gefahren sind also nicht nur auf das unmittelbare Umfeld des BER beschränkt. Beim Ultrafeinstaub spielen Grenzwerte eine untergeordnete Rolle. Individuelle genetische Voraussetzungen entscheiden darüber, ob jemand erkrankt oder nicht. Kinder, Alte und chro-nisch Kranke sind besonders gefährdet. Auf die Frage nach besseren Krankheitsregistern, meinte er, wir wissen, dass Flugabgase Krebs, Schlaganfälle und Herzinfarkte auslösen kön-nen und es sei ethisch unvertretbar in so dicht besiedeltem Raum einen Flughafen zu betrei-ben.
Manchmal sind aber auch große Partikel ein Problem, erklärte eine Frau aus Berlin-Müggelheim. Ein kiloschwerer Eisbatzen von einem landenden Flugzeug zerschlug vor eini-gen Tagen ein Glasvordach im Ort. Im Publikum gab es auffällig viel Sachverstand, vereinzelt auch aus andren Flughafenregionen Deutschlands.
Grünen-Fraktionschef Axel Vogel wurden unbequeme Fragen gestellt, wie denn das hessische Verhalten der Grünen zu erklären sei, deren Flughafenpolitik. Der Fraktionschef verwies dar-auf, dass sie sich in Brandenburg für das Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr weiter engagieren werden. Wie die Linke forderte er, den innerdeutschen Flugverkehr auf die Schiene zu verla-gern. Außerdem rief er jeden auf, weitere Menschen anzusprechen das Volksbegehren gegen die dritte Startbahn in Brandenburg bis zum 18. Februar zu unterschreiben, damit die nötigen 80.000 Stimmen zusammenkommen auf den letzten Metern.

Neues Deutschland vom 1.2.2016



 

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