Erich Fromm radikaler Kritiker der konsumorientierten Industriegesellschaft

 

Elke Wolf

 

Wir leben in einer Welt, in der die Unterwerfung des Menschen unter Herrschaft und Macht, unter den Rhythmus der Maschine, unter die Zwänge einer Konsumgesellschaft als alternativlos dazustehen scheinen. Ja im Gegenteil, dieses Leben wird nicht als Unterwerfung empfunden, sondern als das Eigentliche, als den Sinn unseres Daseins. Und alle Anstrengungen werden aufgeboten, dies aufrecht zu erhalten. Ein patriarchalisches mechanistisches Weltbild konnte über Jahrhunderte ganzheitliches Sein entwerten. Die Natur wird in nie gekanntem Ausmaß unterworfen, manipuliert, als verwertbare und damit konsumierbare Ressource betrachtet. Handwerk als Kunst gibt es kaum noch. Die Glorifizierung der Maschine, Technik und damit Hochtechnologie als vermeintliche Gipfel der menschlichen Entwicklung haben einen bisher nicht gekannten Höhepunkt erreicht, gleichzeitig einhergehend mit tiefer Entfremdung und einer weiteren Entwertung von Kreativität, Muße, tatsächlicher Sinnlichkeit..., eigentlich allem, was nicht in Geld und damit Gewinn umsetzbar ist.
"Haben oder Sein im Zeitalter der ökologischen Krise", dieser Band vereint Beiträge, die anläßlich des 100.Geburtstages von Erich Fromm 2000 auf den verschiedenen Foren (u.a. der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin) gehalten wurden. Alle Texte sind als eine Hommage an Fromm konzipiert, der sich wie nur ganz Wenige als ein radikaler Kritiker der konsumorientierten Industriegesellschaft verstand. Die Habenorientierung bedeutet eine Abkehr von einer Existenzweise "... in der man nichts hat und nichts zu haben begehrt, sondern voller Freude ist, seine Fähigkeit produktiv nutzt und eins mit der Welt ist" (Fromm).
(Es geht hier nicht um ein Leben in Askese bei Wasser und Brot, sondern um eine Abkehr von Besitzorientierung im weitesten Sinne, um das Wiedererlangen von Beziehungsfähigkeit, Geborgenheit, Genußfähigkeit, Sensibilität für Kunst, Kultur, Natur...) Für ihn war die Entwicklung der Welt zu einer Welt globaler Naturzerstörung, neuer z.T. unbewußter Unterwerfungen, neuer Entwertung von Menschsein, neuer Kriege absehbar. Habgier, manifestiert in der Orientierung auf unbegrenzten Konsum, und Friede schließen nach seiner Überzeugung einander aus. Gesellschaftskritischem Denken, das den Mut hat, an die Wurzeln unseres Daseins zu gehen, das den Mut hat, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und im genannten Spannungsfeld zwischen Haben oder Sein die Auseinandersetzung um ökologisches Denken, alternative Wirtschaftssysteme, innere Aufklärung, Bildung aber auch Religion sucht, wird in den Beiträgen Ausdruck verliehen.

Rainer Funk, Marko Ferst, Burkhard Bierhoff u.a. "Erich Fromm als Vordenker ."Haben oder Sein" im Zeitalter der ökologischen Krise" (Edition Zeitsprung, Berlin 2002, ISBN 3-8311-3199-6, 15,90)

Neues Deutschland, 8.8.2003, originale Version der Autorin

 

 

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