Lasten werden auf die Bürger abgewälzt

Neue BVBB-Vorsitzende Astrid Bothe über die Probleme durch BBI-Schönefeld


Das Bundesverwaltungsgericht genehmigte den Großflughafen Schönefeld, aber verhängte von 0 - 5 Uhr Nachtflugverbot. Von 22 - 24 und 5 - 6 Uhr darf nur in Ausnahmefällen geflogen werden. Es befand die als lärmbelastet ausgewiesenen Gebiete zu klein.

Für den ergänzenden Planfeststellungsbeschluss zu den Nachtflügen in Schönefeld finden jetzt die Anhörungen durch die Luftfahrtbehörde statt. Die Bürger schrieben 36500 Einwendungen. Sind Sie mit dem bisherigen Verlauf zufrieden?

Die so genannte Anhörung ist ein reiner Pflichttermin. Von Beginn an hat die Anhörungsbehörde erkennen lassen, dass sie keinerlei Interesse an den Argumenten Pro und Contra Nachtflug hat. Nach den Erfahrungen der Anhörung 2001 war nichts anderes zu erwarten.

Sind die geplanten Entschädigungen für die Bürger ausreichend, die unter dem Lärmteppich leben müssen?

Man muss da unterscheiden, was ist notwendig, um die Gesundheit der Anwohner zu schützen und wie werden die Betroffenen für den Verlust ihrer Lebensqualität (Aufenthalt im Garten/auf der Terrasse) und den Wertverlust Ihrer Grundstücke entschädigt. Beides findet bisher nicht annähernd ausreichend statt.

Der BVBB fordert ein Steilanflugverfahren in seiner Stellungnahme von 2007. Gibt es weitere Optionen für mehr Lärmschutz?

Ja sicher. An vergleichbaren Flughäfen in Europa werden die Wohngebiete unter 300 m Überflughöhe abgesiedelt. Durch den Bau von BBI werden solche Gebiete neu geschaffen – sie müssten abgesiedelt werden.

Rechtsanwalt Boermann führte bei der Mitgliederversammlung des BVBB aus, Berliner Senat und Potsdamer Regierung fordern für nachgereichte Studien beim Prozeß 2006 400.000 € von den klagenden Bürgern?

Ja, und dies entgegen schriftlicher Absprachen. Man kann von einer Regierung, die einen neuen Flughafen inmitten einer wirtschaftlichen Boomregion plant, keine Vernunft und auch keine Ehrlichkeit erwarten. In Frankfurt/Main zahlen Fraport und hessische Landesregierung jährlich je 2,5 Mio € in einen Fond für die Bezahlung von Gutachten etc. zur Herstellung einer Waffengleichheit zwischen Fraport und Betroffenen – davon ist in Brandenburg und Berlin keine Rede, hier werden alle Lasten der rechtlichen Auseinandersetzung auf den klagenden Bürger abgewälzt.

Sollte der Flughafen Tegel über die BBI-Eröffnung hinaus betrieben werden?

Seit seiner Gründung setzt sich der BVBB für die Schließung aller 3 innerstädtischer Flughäfen ein. Leider wurde dieser Ball von den Bürgerinitiativen in Tegel und Tempelhof nicht aufgenommen.

Ein Flugzeugabsturz in den dichten Siedlungsgebieten, ist dafür ein ausreichender Katastrophenschutz eingerichtet?

Keineswegs. Aktuell liegen uns Unterlagen vor, dass für den Katastrophenschutz zur ILA 2008 in Schönefeld das Amt Lübben/Spreewald verantwortlich ist. Man kann davon ausgehen, das dieses damit heillos überfordert ist, zumal für die ILA erstmalig nur die eine Start- und Landebahn vorhanden ist, auf der auch der normale Flugverkehr von Schönefeld abgewickelt wird.

Seit März ist der BVBB anerkannter Umweltverband. Der Berliner Flugverkehr verdoppelte sich seit 1998 nahezu. Die „Grüne Liga“ kritisiert das als besondere Klimasünde.

Diese Verdoppelung ist im Wesentlichen dem rasanten Wachstum der Billigflieger in Berlin geschuldet, die nur nach Berlin gelockt werden, um künstlich einen Bedarf zu erzeugen, der den Neubau von BBI überhaupt erst rechtfertigt. Die Belastung der Umwelt durch Lärm und Schadstoffe ist kolossal. In Zeiten zunehmender Klimagefährdung verbietet sich für jeden denkenden Menschen, den Flugverkehr aus wirtschaftlichen Gründen anzuheizen. In Berlin und Brandenburg gibt man wirtschaftlichen Zielen absoluten Vorrang.

Die Einflugschneise liegt im FFH- und Vogelschutzgebiet. Brütende Kraniche, die vom Aussterben bedrohte Trauerseeschwalbe, Eisvögel. Verstößt das nicht gegen EU-Naturschutzrecht?

Ein deutliches Ja! Aber Recht haben und Recht bekommen ist nicht das Gleiche. Offensichtlich versagen hier die großen anerkannten Umweltverbände Nabu und BUND. Deswegen wird der BVBB als jetzt auch anerkannter Umweltverband in dieser Richtung neue Wege beschreiten. Die Bewahrung der Schöpfung darf keinen Profitinteressen von Möchtegern-Politikern geopfert werden.

Gespräch: Marko Ferst


Neues Deutschland, 23.4.2008


www.umweltdebatte.de