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Gefahrzeitverlängerungen für
AKW verhindern!
Die erste Anti-Atom-Konferenz der Linkspartei.PDS fand in Berlin statt
Marko Ferst
Treffsicherer im Termin konnte die Anti-Atomkonferenz, die von der Ökologischen
Plattform initiiert wurde, nicht sein: Die Energiekonzerne beantragen
den Bruch des Atomkonsenses -Brunsbüttel und Biblis A sollen Laufzeitverlängerungen
bekommen. Schweden stand am 25. Juli sieben Minuten vor dem Super-GAU.
Nach einem Kurzschluß erwiesen sich nur zwei der vier Notstromaggregate
als funktionsfähig. Teilweise versagte die Kraftwerkssteuerung,
weil zahlreiche Informationen im Kontrollraum nicht ankamen. Mindestens
Mecklenburg-Vorpommern hätte schwere Verstrahlungen abbekommen können.
Die westlichen Reaktoren enthalten wesentlich mehr Nuklidmaterial als
Tschernobyl. Bei einem deutschen Super-GAU müßten fünf
bis sechs Bundesländer entsiedelt werden, wollte man die Fehler,
die sich heute in der Ex-UdSSR zeigen, nicht wiederholen.
Aus der Perspektive der Widerstandsbewegung berichtete Jochen Stay. Er
war Koordinator der Kampagne „X-tausenmal-quer“. Seine Kinder
sagen, er sei hauptberuflich Castorgegner. Er verdeutlichte, es geht
bei den „Gefahrzeitverlängerungen“ um Lizenzen zum Gelddrucken.
Abgeschrieben sind die alten „Gammelreaktoren“, wie er sie
nannte, schon lange, aber täglich kann man mit ihnen rund eine Million € verdienen.
Stay kündigte an, es wird an beiden AKW-Standorten am 4.11. Demonstrationen
geben. Er erläuterte die lange Tradition des Wi-derstandes im Wendland,
verhindert wurde eine Wideraufbereitungsanlage, ein AKW, nur das Zwischenlager
und das mögliche Endlagerbergwerk konnten nicht wegdemonstriert
werden. Einst dachten Politiker das Wendland sei dünn besiedelt,
konservativ und die Bürger wenig intelligent, doch sie wehrten sich
massiv. Überdies sollte die DDR möglichst viel abbekom-men
von den Nukliden im Endlagergrund. Die Anti-Atom-Aktiven hoffen, der
Bruch des Atomkonsens gibt dem Widerstand neuen Auftrieb.
Henrik Paulitz ist der Atomenergie-Experte des IPPNW, der Deutschen Sektion
der Interna-tionalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges.
Er ist er aktiv in Sachen Siemensboykott wegen der Atomsparte des Konzerns.
Siemens und Frameatome (Areva) würden in Deutsch-land bis 2020 gerne
5-6 neue AKW bauen. Der Konzern sorgt für Exporte von AKW-Zubehör.
Bei diesem Boykott kann übrigens jeder mitmachen.
Paulitz erläuterte umfangreich, daß der Betrieb von AKW aufgrund
des Kalkar-Urteils ange-sichts der hohen Unfallrisiken nicht verfassungskonform
ist. Besonders nachdenklich stim-men mußten aber seine Äußerungen
zur Verkürzung von Revisionszeiten in den Atomkraft-werken. Zehnstundenschichten
wurden eingeführt, es sei ein enormer Druck entstanden auf die Arbeitstätigen
alles „schnell, schnell“ zu erledigen, notwendige Reparaturen
werden häu-fig verschoben. Er legte der Linkspartei nahe, eine kleine
Anfrage an die Bundesregierung zu richten, inwieweit die Empfehlungen
bei den Leitüberprüfungen der AKW umgesetzt werden.
Paulitz riet zu beachten, daß der Konflikt um die Atomenergie nicht
verdecken darf, gerade werden unzählige neue Kohlekraftwerke gebaut.
Es muß konsequent Energie gespart und auf erneuerbare Energien
gesetzt werden, die möglichst dezentral und sich umfangreich in
Bür-gerhand befinden sollten. In der atomar-fossilen Energiewirtschaft
könnten künftig rund 45.000 Arbeitsplätze verloren gehen,
zugleich bei den solaren Energien eine viertel Million entstehen.
Im Verlauf der Konferenz gab es zahlreiche Vorschläge, wie die Linke
mehr für den Atom-ausstieg tun könnte. In Bulgarien soll ein
AKW weitergebaut werden mit EU-Geldern und finanziert von Deutscher Bank
und Hypovereinsbank. Dazu gibt es eine E-Mail-Protestaktion unter www.campact.de,
wo jeder einzelne den Bankern seine Meinung sagen kann. Auch lin-ke EU-Politiker
sollten parlamentarisch tätig werden.
Hingewiesen wurde auf die Aktion Stromwechsel vieler Umweltverbände.
Stromwechseln ist einfach geworden, Energie von den EWS Schönau
oder Greenpeace Energy kaum noch teu-rer. Petra Beck schlug vor, auf
dem nächsten Parteitag einen Antrag zu stellen, daß im Karl-Liebknecht-Haus Ökostrom
bezogen wird. Die Linke wurde aufgefordert sich für die Aktion Stromwechsel
aktiv einsetzen und das nicht nur den Grünen zu überlassen.
Jochen Stay würde sich freuen, wenn Oskar Lafontaine zum nächsten
Castortransport ins Wendland käme. In der Diskussion zeigte sich,
es sollte jedoch nicht so sein, wie bei einigen grünen Politikern,
die sich kurz auf dem Trecker ablichten lassen und dann wieder ver-schwunden
sind. Hilfreich wäre, dort zu sein, wenn die Polizei bei den Sitzblockaden,
die Grundrechte nach Maß bricht, um das öffentlich zu machen.
Die Auftaktdemo beginnt am 11.11.06 um 13.00 Uhr in Gorleben. Hier kann
man sich beteiligen auch in Familie weitge-hend gefahrlos.
Der linke Bundestagsabgeordnete Hans Kurt Hill betonte, man müsse
verstärkt die sozialen Kosten der Energieversorgung in den Blick
nehmen und dafür Sorge tragen das in den näch-sten Jahrzehnten
80% des CO2-Ausstoßes reduziert wird. In meinem eigenen Beitrag
verdeut-lichte ich, die Endlagerung von hoch radioaktivem Müll über
10-20 Millionen Jahre ist ein Großrisiko, weil Prognosen über
die geologische Entwicklung unmöglich sind, das langlebige Neptunium
237 ähnlich toxisch ist wie Plutonium. Hill wie ich selbst halten
die Lagerung von Atommüll im Salzstock Gorleben für unakzeptabel.
Heinz Preuß verdeutlichte, auch die Ge-fahren durch Atomkriege
sind nicht beseitigt und wir sollten darum kämpfen, daß Atomrake-ten
von deutschem Boden abgezogen werden. Besonders brisant sind die geheimgehaltenen
von der „Washington Post“ 2005 veröffentlichten Einsatzgründe
der USA-Regierung für Atomwaffen, die faktisch den Einsatz bei jeder
Gelegenheit in und vor Konflikten vorsehen können. Die Reden auf
der Anti-Atom-Konferenz wird die Ökologische Plattform in ihrer
Zeitschrift „tarantel“ im Januar 2007 dokumentieren.
Weitere Hinweise: www.atomausstieg-selber-machen.de
Disput Nr.10/2006, in: Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der
Linkspartei.PDS Nr.11/2006, tarantel Nr.35
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