»Laufzeitverlängerungen sind unverantwortlich«

Linkspartei.PDS berät über den Atomausstieg und will sich stärker an Protesten gegen Castortransporte beteiligen.

Ein Gespräch mit Marko Ferst


Die Ökologische Plattform will am heutigen Samstag eine Konferenz zum Ausstieg aus der Atomenergie abhalten. Was soll dort diskutiert werden?

Wir wollen, daß der Ausstieg Deutschlands aus der Atomwirtschaft nicht auf den St.-Nimmerleinstag verschoben wird. Es hat ja gerade erst den Antrag der Betreiber des AKW Biblis A gegeben, dessen Laufzeit zu verlängern.

Was kann die L.PDS zur Beschleunigung des Atomausstiegs machen?

Sie kann zum Beispiel deutlich machen, daß es mit ihr keine Laufzeitverlängerungen gibt. Die Gefahren sind so groß, daß der Betrieb von AKW unverantwortlich ist. Das haben wir erst Ende Juli in Schweden gesehen, wo es im AKW Forsmark 1 zu einem schweren Zwischenfall kam. Mehrere von einander unabhängige Notstromsysteme fielen gleichzeitig aus, und der Reaktor war nur sieben Minuten von einem Super-GAU entfernt, als die Mannschaft schließlich doch noch die Verhältnisse wieder in den Griff bekam.
Deshalb ist es für die L.PDS wichtig, daß sie den Anti-Atom-Widerstand in Gorleben und anderswo unterstützt. Tatsächlich beteiligen sich auch viele von uns an den Aktionen, wie jetzt im kommenden November, wenn wieder Atommülltransporte in das Zwischenlager nach Gorleben rollen.

Ist diese Position in der L.PDS unumstritten, oder gibt es immer noch die Fraktion, die die Atomkraft für eine fortschrittliche Sache hält?

Schon seit Anfang der 1990er Jahre setzt die PDS klar auf Atomausstieg. Entsprechende Anträge sind auf den Parteitagen immer ohne Probleme angenommen worden. Tatsächlich ist der Atomausstieg einer der seltenen Fälle, in denen Umweltpolitik ohne großen Widerstand in der PDS durchgesetzt werden konnte. Natürlich gibt es auch andere Meinungen zur Atomkraft, das sind Außenseiterpositionen.

China baut neue Atomkraftwerke, Indien, der Iran und Nordkorea ebenso. Auch in Argentinien und Brasilien denkt man wieder an die Atomenergie, und selbst in den USA wittert die Branche Morgenluft. Kann Deutschland da das Dorf der letzten aufrechten Gallier spielen?

Der Bau neuer Atomkraftwerke ist extrem teuer und lohnt sich in Zeiten der Liberalisierung des Strommarktes kaum noch. Der finnische und rumänische Reaktor, die gerade gebaut werden, sind eine Ausnahme, weil sie subventioniert werden.

Nun, in Europa mögen sie eine Ausnahme sein, im globalen Maßstab gibt es allerdings Dutzende von Bauvorhaben.

Natürlich gibt es einige Neubauten von AKW. Insgesamt wird der Bestand jedoch zurückgehen. Dennoch ist es bedauerlich, wenn China auf neue Atomkraftwerke setzt, obwohl man dort auch in der Nutzung der Windenergie und in anderen Bereichen erneuerbarer Energiequellen Fortschritte macht.

Was macht Sie so sicher, daß der Bestand an AKW langfristig abnehmen wird?

Weil relativ wenig zugebaut wird. In Europa ist zwar eventuell geplant, mit EU-Hilfen in Bulgarien ein AKW fertigzustellen. Auch in Frankreich und Großbritannien wird derzeit mal wieder über Neubau nachgedacht. Aber faktisch passiert nichts. Außer in Finnland und Rumänien gibt es in Europa derzeit keine AKW-Baustellen, und das schon seit vielen Jahren nicht mehr. Die alten AKW werden aber in den nächsten Jahren nach und nach vom Netz gehen müssen.

In Europa mag es nicht so aussehen, aber in vielen Teilen der Welt erlebt die Atomkraft derzeit leider eine Renaissance.

Dem würde ich widersprechen. Es sind nur 20 Reaktoren, die derzeit gebaut werden, und einige weitere warten bereits viele Jahre auf ihre Fertigstellung. Gegenüber den 443 AKWs, die bereits im Betrieb sind, ist das nicht viel. Klimaschutz, wie gerne von den Atomlobbyisten behauptet, wird man damit nicht betreiben können, die Atomkraft ist auf einem absteigenden Ast. Zur Zeit wird 16 Prozent des globalen Stroms in AKW produziert, der Trend zeigt nach unten.

In China sind für die nächsten 15 Jahre 40 neue Reaktoren geplant.

Ob die gebaut werden, ist die große Frage. AKW sind extrem teuer und viele Projekte, die in Vergangenheit angekündigt wurden, sind letztendlich nicht realisiert worden.

Interview: Wolfgang Pomrehn

Marko Ferst ist Mitglied im Koordinierungsrat der Ökologischen Plattform bei der Linkspartei.PDS.

junge Welt, 7.10.2006

www.jungewelt.de