Offener Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck zur Kommunalwahl 2003 in Brandenburg

 

Marko Ferst, 19.10.2003


Sehr geehrter Matthias Platzeck,

was 250 Jahre lang durch Monarchien, Nazis und später Politbürokraten nicht geschafft wurde, bekommt jetzt eine Regierung hin, in der Sie Ministerpräsident sind: Die "Zwangsvereinigung" von Ortschaften, die über eine lange Geschichte selbstständige Einheiten waren. Ihre Regierung hat sie beschlossen und durch Wahlakt soll dies nun endgültig besiegelt werden. Die Verdrahtung von Gosen und Neu-Zittau dürfte ja nur einer von vielen Fällen sein, beide Orte mit Einwohnerzahlen deutlich über 1000. Gerichtsverfahren dagegen sind noch anhängig.

Um mich zumindest symbolisch dieser Zwangsläufigkeit zu widersetzen, hatte ich geplant, die betreffenden Stimmzettel für die Kommunalwahl öffentlich im Wahllokal zu zerreißen. Schon zu DDR-Zeiten 1989 bei der Wahl strich ich alle Kandidaten und notierte auf der Rückseite, daß ich mich dieser Wahl verweigere. Ich begründete dies u.a. mit mangelnder realer Demokratie in der DDR und dem Unwillen der damaligen Machthaber grundlegende Reformen des Systems im Sinne einer DDR-spezifischen Perestroika in Augenschein zu nehmen.

Ihre Regierung macht sich nun dabei gegen die Willen der Bevölkerung die Orte zwangszuvergemeinden. Dies ist eine Unterminierung der kommunalen Demokratie und schafft überdies erhebliche Konfliktstoffe zwischen den Gemeinden, die völlig unnötig sind und der Entwicklung der Gemeinden kaum dienen werden. Kooperation ist auch zwischen selbständigen Einheiten möglich. Ich sehe freilich ein, daß sich durch die drastische Reduzierung von kommunalen Parlamenten im Land Brandenburg "störungsfreier" Regieren läßt. Man kann so seine Untertanen besser mit den eigenen Gesetzestexten knebeln. Das ist auch der Sinn dieser Reform, Machtverlagerung von Unten nach Oben. Nicht etwa mehr demokratische Selbstverwaltung ist gefragt, sondern mehr Obrigkeitsstaatlichkeit.

Da ich nun am Wahltag auswärts sein muß und daher Briefwahl unumgänglich ist, schicke ich nun Ihnen die zerrissenen Stimmzettel anbei. Nehmen Sie es als Votum gegen Ihre Politik in diesem konkreten Punkt. Freilich gibt es noch andere Ärgernisse, wie zum Beispiel den geplanten Flughafen-Größenwahn in Schönefeld, der mehr als 200.000 Leute verlärmen wird und auch aus klimapolitischen Gründen nachhaltig abzulehnen ist. Wo überall Ebbe in den Staatskassen herrscht, da ist kein Platz mehr für ein VEB-Projekt, daß mindestens 4-5 Milliarden Euro verschlingen wird. Denken Sie daran, 2004 ist wieder Wahltag in Brandenburg.

Mit freundlichen Grüßen


Marko Ferst